Das ist erstaunlich, Herr Dembowski! Sie haben am Deadline Day Zeit?

Selbstverständlich. Die nehme ich mir gerne. Die Menschen brauchen eine unabhängige Stimme. Die Menschen brauchen mich.

Pierre-Emerick Aubameyang wird Dortmund, wird die Liga verlassen. Ihre Einschätzung?

Mit Aubameyang geht ein Exzentriker, ein Paradiesvogel. Einer, der seine Hecke auch mal nicht geschnitten hat. Damit passte er auf Dauer nicht in die Bundesliga. Aubameyang begreift Fußball als Unterhaltung. Er lässt, wie man so schön sagt, auch mal alle Fünfe gerade sein, jubelt mal mit dieser und dann mit jener Maske. Er schlägt vor Freude Purzelbäume. Das hat nie gepasst. Aubameyang ist nie verletzt, lebt hoch professionell, liefert regelmäßig ab. Doch hier wurden nur seine goldenen Autos, seine extravaganten Outfits, seine Gang gesehen. Das ist nicht korrekt. Aubameyang war einer der größten Spieler der jüngeren Vereinsgeschichte. Für einen 28-jährigen erzielt er nun noch eine bemerkenswerte Ablösesumme.

Trotzdem geht er nun mit lautem Getöse. Wieder zerbricht etwas in Dortmund.

Er wollte bereits im Sommer gehen, und mit Beginn der großen Krise verlor er offensichtlich das Interesse. Wer will es ihm verübeln? Seit der genickbrechenden Niederlage gegen Leipzig gelangen ihm nur noch 3 Treffer in 8 Ligaspielen. Eine schlechte Quote bei insgesamt 98 Treffern in 144 Ligaspielen. Er wollte weg und in Dortmund war er längst ein Gesicht der Krise. Für einen Spieler wie Aubameyang ein nicht zu akzeptierender Zustand.

Und deswegen das Getöse?

Wer weiß das schon. Es ist doch auffällig: Den Leistungsträgern, denen die das Geld einspielen also, wirft man in Dortmund seit Jahren Dreck hinterher, während die Publikumslieblinge keine Leistungsträger sind. Die stehen für die Verbundenheit mit dem Verein, die stehen für Leidenschaft, sagen die Fans. Sie stehen, wenn man so will, für die menschelnde Mittelmäßigkeit, die man sich auf den Tribünen des Stadions schon lange zurückwünscht.

Wie meinen Sie das, Herr Dembowski?

Das Leben am oberen Ende der Nahrungskette ist komplex. Man muss nach hinten schauen, man wird gejagt, und man muss jagen. Man braucht eine Transferstrategie, man braucht eine Idee, welchen Fußball man spielen lassen will, man darf nicht verlieren, jede Handlung wird von der Öffentlichkeit zerlegt. Dort oben hast Du mehr Wettbewerb. Nahe der Spitze ist es einsam und gefährlich. Gerade, wenn dich der Zufall dorthin gespült hat, und du nicht einmal mit deiner eigenen Vergangenheit Frieden geschlossen hast.

Was bedeutet das konkret?

Michael Meier und Gerd Niebaum, wichtige Bausteine der ersten Welle in den 1990ern-Jahren, finden in der Vereinsgeschichte weiter nur als Beinahe-Totengräber statt. Es ist langsam an der Zeit, einen historischen Blick auf das Schaffen der ehemaligen Vereinsführung zu werfen. Sie haben Dinge von Bestand erschaffen. Sie haben die Basis für die große Fanbasis gelegt, und das Stadion zum besten Fußballstadion der Welt ausgebaut. Das darf man nicht vergessen. Sie haben den Größenwahn des Fußballs vorausgesehen, und haben es am Ende natürlich übertrieben.

Steile These, Dembo. Blicken wir noch kurz auf Bartras Abgang.

Dazu ist alles gesagt. Er hat Dortmund verlassen, weil es nicht mehr anders ging. Aber nicht einmal dieser Transfer ist komplett sauber über die Bühne gegangen. Ein paar Merkwürdigkeiten gab es rund um seine Aussage vor Gericht und dann noch einmal um sein Abschiedsposting. Bartra will keine Schwäche zeigen. Das ist schade. Aber verständlich. Es sind schlimme Dinge passiert. Der Fußball ist ein Drecksgeschäft, kennt scheinbar nur Stärke. Wissen Sie, was mich wundert?

Nein.

Bei jedem Mist, kommt irgendwer mit „denkt denn keiner an Enke“ um die Ecke. Geht es einem Spieler vor den Augen der Öffentlichkeit jedoch schlecht, sind wir einfach hilflos. Er leidet offensichtlich unter dem, was ihm passiert ist, und niemand hat Zugriff darauf bekommen.

Das mag sein. Was schlagen Sie vor?

Ich habe keine Ahnung.

Themenwechsel: Der Endboss ist zurück im Geschäft. Müssen wir Uli Hoeneß in Zukunft wieder ernst nehmen, Herr Dembowski?

Wir sollten aufhören, den Worten des Bayern-Präsidenten Bedeutung beizumessen. Er hat jetzt wieder Oberwasser, und seine Stimme wird gerne gehört. Er polarisiert. Er ist ein Name. Ich vergleiche das gerne mit dem US-Präsidenten: Alle schimpfen, alle jammern, alle verspotten ihn, doch die breite Basis mag jemanden, der klare Kante zeigt. Da ist es fast egal, was er sagt. Hoeneß ist ein Menschenfischer, und das macht mir Angst.

Sie sind schon wieder so deep.

Danke. Und jetzt entschuldigen Sie mich: Das Transferfenster schließt gleich. Ich höre noch ein wenig Chuck Berry.