Was machen Menschen wie Dembowksi, wenn ihr Soldiner Score in den Keller gestürzt ist? Was machen Menschen wie Dembowski, wenn sie also nicht einmal mehr den Rang eines digitalen Sklaven innehaben? Wenn sie von einem System, an dessen Verwirklichung sie maßgeblich beteiligt waren, ausgestoßen werden?

Was macht die Verweigerung digitaler Anerkennung mit diesen Menschen? Werden sie sich erheben? Werden sie die Seite wechseln? Was werden sie tun, um gesehen zu werden? Wie, und das ist die Kernfrage unserer Existenz, werden diese Menschen ihre Süchte befriedigen können? Und wenn wir ihnen die Anerkennung verweigern, was werden diese Süchte sein?

Wir erinnern uns: Bereits vor Ostern sorgte Ermittler Dietfried Dembowski im Soldiner Eck für ordentlich Wirbel. Während einer DID-internen Befragung griff er die Stadt Berlin an. Sein Soldiner Score stürzte um 1.73 Punkte. Es war schon eng. Und über die nächsten Tage würde sich die Schlinge immer enger um seinen Hals legen, bis sie nicht einmal mehr von seiner pulsierenden Halsschlagader gesprengt werden konnte.

Das Spiel war aus. Herr Dembowski hatte sich als nicht gesellschaftsfähig erwiesen. Jetzt wurde er abgestoßen. Das war kein langer Prozess. Als es dazu kam, er wieder einmal Justin Hagenberg-Scholz beleidigte, von hinten angriff, denn das war seine Art, blieb dem Ermittler keine Zeit, sein Schulle zu leeren. Er war nun auf der Straße.

„Das war eine Befreiung“, sagt Dietfried Dembowski im DID-Gespräch. „Klar. Ich musste kämpfen. Die Angst, jetzt nicht mehr zu denen zu gehören, wollte mich auffressen. Bis ich mich gefragt habe, wer die sind. Dann war da kein Druck, dann war da keine Angst mehr. Mir war es nie wichtig, in diesem System stattzufinden. Ich hielt es nur für eine gute Idee, um Schills runtergewirtschafteten Laden nach vorne zu bringen. Dass der Algorithmus sich dann gegen mich entschied? Das habe ich wohl dem Schicksal zu verdanken.“

Anstatt sich in dieser sozialen Isolation zu radikalisieren, erkannte Dembowski die Chance, die in diesem Gesellschaftsausschluss lag. Er sagt, er habe sich sogleich in andere Aufgaben gestürzt. „Zum ersten Mal seit Monaten bin ich wieder mit Koi schwimmen gegangen“, erzählt er. „Später habe ich auf dem kleinen Steg gesessen und Koi zugesehen. Sie wissen doch: Gründeln ist seine Leidenschaft. Nichts kann er besser. Er habe sogar Preise gewonnen, gestand er mir meine im See baumelnden Füße umschmeichelnd.“

Abends saßen Dietfried und Dörte auf ihrer Veranda auf der ehemaligen Lamafarm, die über die Jahre zur Heimat unzähliger Kraniche geworden war. Am verlassenen Ende der Republik verkündeten die Vögel der Veränderung nicht mehr als die wechselnden Jahreszeiten. Mal durchbrachen sie mit ihrem „Kru“ und ihrem „Kra“ die Stille und mal verhallten ihre Rufe im Klang einer alten Neutral Milk Hotel-Platte.

Dann hörte man Dietfried und Dörte singen:

And one day we will die. And our ashes will fly from the aeroplane over the sea. But for now, we are young. Let us lay in the sun. And count every beautiful thing we can see. Love to be in the arms of all I’m keeping here with me.

Während die Sonne sich weit hinter dem alten Oderarm als roter Ball in die Nacht stürzte, sie die Dinge zählten, die sie liebten, durchschritten sie ihre von jahrelanger Hitze ausgezehrte Farm und erreichten Koi am See. Dort legten sie sich nieder, ihre Arme ausgestreckt. Dann trennte sie nur der Himmel von der Ewigkeit.

Der DID trifft Dembowski auf den Kranichwiesen im Oderbruch.

Herr Dembowski: Was bleibt von uns übrig, wenn wir nicht einmal mehr den Status eines digitalen Sklaven innehalten?

Der Kern. Das, was wir waren, bevor wir auszogen und uns dem Leben verpflichteten.

Ihr Abschied vom DID kam für viele Beobachter überraschend?

Mein Score tendierte gegen Null. Ich hätte mich anpassen müssen. Ich hätte mitmachen müssen, um mich noch einmal zu retten.

Mit Ihnen besteht der DID nunmehr nur noch aus Justin Hagenberg-Scholz, Miriam Wu und Hauke Schill.

Er ist in guten Händen.

Sie haben sich schon oft vom DID losgesagt. Nun wurden Sie zwangsexmatrikuliert. Werden Sie einen Weg zurückfinden?

Das ist aktuell nicht mein Plan. Stellen Sie sich unsere digitale Welt als ein Meer vor, das unsere Leben langsam unterspült. Der DID wollte mit seinen Formaten ein Wellenbrecher sein. Aber er konnte die Erosion nicht aufhalten. Wir haben immer mehr Land verloren. Ich habe versagt. Wahrscheinlich war der Soldiner Score also meine Rettung.

Wollen wir trotzdem über Fußball reden?

Ich dachte schon, Sie fragen nie! Natürlich! Deswegen sind Sie doch hier am Ende der Republik.

Dann legen wir los. Es ist Derbywoche. Einige Schalker Ultras haben im Internet den Dortmundern mit einer Niederlage gedroht.

Wollten wir nicht über Fußball reden? Möchte ich gerne mit einer Gegenfrage beantworten: Was sollen die denn sonst machen?

Es geht um die Sprache, Herr Dembowski.

Im Zweifel entspricht die nicht Ihrer. So what?

Sportlich kann es in diesem Derby nur einen Verlierer geben: Borussia Dortmund!

Das scheint die allgemeine Sicht zu sein. Da stimme ich Ihnen zu. Der BVB muss gewinnen, um überhaupt noch eine Meisterschaft zu gewinnen, die man noch im frühen Februar nicht verlieren konnte. Damals erschien uns Favre noch als Zauberer, nicht als Zauderer. Das hat sich geändert. Und vielleicht wurde Dortmunds defensive Taktik den möglichen Titelgewinn betreffend auch bestraft. Wer kann das schon sagen?

Sie könnten das, Herr Dembowski.

Es hätte keinen Wert. Fakt ist: Bereits im Winter zweifelte die Verantwortlichen am Titel. Nicht aufgrund der Übermacht der Bayern. Sie hatten sich einfach mit ihrem Kader auseinandergesetzt, einige mögliche Bruchstellen erkannt. Pulisic war bereits in einer Formkrise, Bruun Larsen schlitterte in diese, Piszczek war verletzungsanfällig, Paco ebenso. Akanji, Zagadou. Jung und ebenso verletzungsanfällig. Als sie sich also im Winter mit dem Kader auseinandersetzte, erkannten sie die Schwachstellen. Natürlich: Sie wollten da sein, wenn die Bayern schwächeln, so wie es alle Bundesliga-Vereine immer angekündigt hatten. Aber sie wussten auch: Würden die Bayern nicht schwächeln, würden sie den Vorsprung nicht halten können. Die Niederlage war immer eingepreist.

Bei den Fans nicht.

Die haben sich auch ihre Auszeit genommen, aber die sind doch längst zurück.

Die Frankfurter Fans supporten ihr Team besser.

Es geht nicht darum, wer besser supportet. Es geht darum, das eigene Team zu unterstützen. Das ist in Berlin gelungen, das ist doch sogar in München gelungen. Trotz der wiederholten Demütigung. Die Dortmunder Fans haben mit ihrer Choreo gegen Wolfsburg Diskussionen angestoßen. Sie haben ihre Mannschaft nicht aufgegeben. Obwohl diese auf den ersten Blick ja durchaus versagt hat.

Trotzdem schließt sich das Zeitfenster für eine Meisterschaft in diesem Mai. Die Bayern starten einen Großangriff auf die kontinentalen Spitzenklubs. Durch Transferausgaben in Höhe von über €200 Millionen wird der Bundesliga-Titel bereits vor dem ersten Spieltag vergeben sein.

Dazu noch Leipzig mit Nagelsmann. Dazu noch Hoffenheim in der Champions League.

Genau. Die Zukunft des deutschen Fußballs steht mal wieder auf dem Spiel.

Ich bin ein Verfechter der Idee einer europäischen Super League. Aktuell halten sich die Fans an einem liebgewonnenen System fest. Dabei existiert es nur noch in ihrer Erinnerung. Nur der Premier League ist es gelungen, ein spannendes Ligasystem zu erhalten. Alle anderen europäischen Topligen sind längst vorhersehbar geworden. Es ist vorbei. Das müssen die Kritiker, die Nostalgiker verstehen. Sie müssen eigene Lösungen entwickeln. Das ist ihnen nicht gelungen.

Fürchten Sie sich vor der neuen Saison?

Die Unterhaltungsmaschine wird uns genug Geschichten präsentieren. Manche werden exklusiv in den Nischen der jeweiligen Lieblingsklubs verhandelt werden, andere in den Mainstream durchbrechen. Alles wie immer. Davor fürchte ich mich nicht.

Sie sind kein Schalker! Die aber stehen kurz vor dem Abstieg.

Dabei können die das Derby doch nur gewinnen. Wir werden uns an Schalke als einen erstaunlich lebhaften Bundesligisten erinnern, an einen Verteidiger des Vereinsprinzips erinnern. Und dann werden wir auf das Jahr 2020 schauen und sehen, wie diese Verteidiger am Ende für den Zusammenbruch des Systems sorgten. Die aktuelle Saison wird in der Rückschau eine Schlüsselrolle spielen. Schalke ist über die Jahre ausgeblutet. Und sie werden sich davon nicht erholen. Weil sie sich nicht erholen werden, werden sie andere Wege suchen.

Da ist er wieder: Dietfried Düsternis. Ein Wort noch zu den Bayern? Wird Kovac den Kader auch im kommenden Jahr anleiten dürfen?

Das ist mir nun wirklich egal.

Und jetzt noch zum Internet. Dort eskalierte in den vergangenen Wochen der Streit um…

Melden Sie sich dazu gerne noch einmal, wenn etwas nicht eskaliert ist. Dass dieses Prinzip der totalen Eskalation langsam auch andere Bereiche unseres Zusammenlebens durchdringt, könnte man als problematisch bezeichnen. Könnte man! Wie wir unser Zusammenleben in Zukunft organisieren wollen? Bei der Frage bin ich raus. Lang lebe der Soldiner Score!

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dembowski.

Grüßen Sie mir Schill!

Der Ermittler verschwindet. “Entschuldigen Sie mich! Koi hat gerufen. Ich habe ihn so vermisst.”