Wir treffen Dietfried Dembowski. Wir müssen etwas bereden. Der Ermittler hört sich gerade durch die neuesten Hits. Aber dafür haben wir keine Zeit. 

 

 

Herr Dembowski. Ganz Deutschland ist geschockt: Joachim Löw verlässt die Länderauswahl! Ihre Einschätzung.

Interessiert mich nicht. Fragen Sie doch die, die immer eine Meinung haben, wenn Meinungen gefragt sind. Fragen Sie doch die Top-Experten, die immer alles haben kommen sehen.

Ralf Rangnick bringt sich bereits in Stellung.

Indem er bei Sky eine Bewerbung formuliert? Ich bitte Sie! Und stellen Sie endlich interessante Fragen.

Ist die Nationalmannschaft nun Favorit für den EM-Titel?

Ja, klar! Das haben doch alle geschrieben. Verstehe ich zwar nicht, weil die Spieler jetzt ja nicht besser werden und Löws Spielidee nicht zeitgemäßer. Aber gut. Das ist eine Meinung. Die vertreten Sie offensichtlich. Das muss ich akzeptieren.

Uli Hesse fordert bei den 11 Freunden Edin Terzic als Löw-Nachfolger? Wäre das einer für die Nationalmannschaft?

Lesen Sie überhaupt mehr als die Überschriften? Davon abgesehen: Terzic sollte den BVB besser in eine goldene Zukunft führen.

Der Verein will ihn absägen! Aber Freddie Röckenhaus wert sich dagegen.

Niemand will Edin Terzic absägen. Das hat Freddie falsch verstanden. Aber ein tolles Bild. Radio Eriwan. Aus der Zeit gefallen. Wie Freddie auch. Nun: Terzic hat im laufenden Betrieb den Motor der Mannschaft gewechselt und fährt jetzt Motivation 200. Ob das reichen wird? Sie spielen ja auf diese Luxusdiskussion an. Ob der BVB mit seiner Entscheidung, Rose ab Sommer zu installieren, überhaupt richtig liegt?

Genau. Rose im Sinkflug und Terzic ist endlich doch der Held, den man sich am Borsigplatz seit Jahren gewünscht hatte.

Haben Sie auf den Kalender geschaut? Wir haben Mitte März. Wir können doch jetzt nicht die Spielzeit abschließend bewerten!

Dafür Sie sind Ermittler, Herr Dembowski! Die Menschen spekulieren gerne. Fußball ist Unterhaltung, das sagen Sie doch immer.

Ich kann hier nichts seriös einschätzen. Die Saison läuft nun noch 10 Spieltage, im Pokal könnte es noch 2 Spiele geben und auch in der Champions League ist noch nicht alles entschieden, auch wenn Sie mich bereits auf einen Flug nach Istanbul…

…Budapest, das Finale findet Budapest statt, Herr Dembowski…

…gebucht haben. Wir sind mitten in den Pandemiespielen und jeden Moment kann irgendetwas passieren, das den BVB komplett aus der Bahn wirft. Nicht einmal die Qualifikation für die Conference League ist gesichtert und Sie bauen hier bereits am Denkmal. Gewiss: Da steckt wieder Leben drin, aber doch auch eine Menge Durchschnittlichkeit. Das von den angeschlossenen Funkhäusern hochgelobte Spiel in München war im Grunde doch eine Fortführung der ewigen München-Katastrophe unter Berücksichtigung des Jahrhundertalents Erling Haaland, der eben Tore schießt und sich nicht dafür interessiert was war oder was sein könnte, sondern nur dafür, was ist und was deswegen aus ihm werden wird. Er liefert ab, weil er es will. Auf dem Platz und daneben. Seine Interviews sind herrlich, weil niemand ihn kontrolliert. Das macht ihn so besonders. Er kann nicht eingefangen werden.

Er hat mal einen Trump-Tweet geliket und Sie feiern ihn hier ab.

Wollen wir ein Interview führen oder…

…oder was, Herr Dembowski? Sie müssen das politische schon mitdenken!

Können wir uns bitte auf den Fußball konzentrieren?

Kann der BVB gegen Hertha an die Leistung gegen Sevilla anknüpfen?

Das zeigen alle Modelle. Der BVB hat jetzt nur noch Endspiele. Das muss jetzt ohnehin trainiert werden. Ganz im Ernst: Ich bin da guter Dinge. Ich bin ja Hertha-Experte. Die werden in Dortmund untergehen.

Wenn der VAR nicht eingreift!

Ja. Der VAR. Bringt das Spiel immer mehr in Richtung Unterhaltung. Wir sitzen da vor den Fernsehern und schauen auf den Schiedsrichter, wie er auf einen Monitor schaut, um etwas zu entscheiden, das man auch so hätte erkennen können oder eben nicht. Sie hatten uns Gerechtigkeit versprochen und sie haben kläglich versagt. Es ist weiterhin eine Problemverlagerung, die natürlich in dieser dunklen Pandemiezeit den Fußball noch technischer macht. Aber das ist doch der Weg. In dieser aktuell eindimensionalen Welt werden Tatikterklärer zu unseren Helden. Sie betrachten das Spiel vom Spielfeld her. Das ist vollkommen okay, aber das ist eben nicht das Spiel, in das sich ein Großteil verliebt hat. Wir lesen über Korruption, über die Sonderrolle des Fußballs, über die Millionengehälter und die irrwitzigen Vorschläge zur Geldgewinnung. Wir lesen über die Geldgeber und über das Fehlverhalten in Coronazeiten. Wir sind dauernd alarmiert und haben darüber die Schönheit des Moments aufgegeben. Wir können nicht mehr in ein Spiel eintauchen und uns treiben lassen, ausbrechen und loslassen. Wir müssen alles in Daten verpacken und als Gewissheit verkaufen. Das ist nie mein Ansatz gewesen. Und das wird nie der Ansatz sein, der den Fußball attraktiv hält. Der sich dauernd modernisierende Fußball entledigt sich des Eskapismus und das wird ihn zerstören.

Ihr DID POWER RANKING, noch so ein technisches Hilfsmittel, wie bigott Sie sind, steht aus ganz anderen Gründen in der Kritik. Der Tabellenvierte aus Leipzig scheidet gegen die abstürzenden Reds von der Insel aus.

Im DID POWER RANKING kann jeder jeden besiegen. Warum soll Liverpool nicht gegen Leipzig gewinnen? Wir wissen, dass Leipzig Favorit und Liverpool in einer schwierigen Situation war. Aber sie wollten und sie mussten diese Spiele gewinnen.

Trotzdem: Wie kann es zu derartigen Fehlprognosen kommen?

Die Premier League hat aus 18 Duellen mit den Vereinen der anderen Top-Ligen 41 Punkte, also pro Spiel 2.42 Punkte, geholt, hat ein Torverhältnis von plus 31. Alle anderen Nationen haben ein negatives Torverhältnis. Die deutschen und spanischen Teams holen pro Kick 1.30 Punkte, die Italiener nur 1.21 und Frankreich, das ja letztendlich aus Paris besteht, kommt auf 0.88 Punkte.

Fliegt Frankreich aus dem Ranking und wird durch Portugal ersetzt? Das will nicht nur Rüdiger aus Hamburg wissen.

Diese Frage verstehe ich nicht. Weil Rüdiger Portugal schöner findet? Oder wieso?

Das sagte er nicht. Rüdiger will auch wissen, ob die internationalen Spiele in Zukunft stärker gewichtet werden.

Rüdiger aus Hamburg sollte wissen, dass wir diese Spiele bereits extremst gewichten. Blicken wir mal ans Tabellenende. Dijon hat 17.9 Prozent aller mögliche Punkte eingesammelt, aber steht noch knapp hinter Schalke, die nur auf 13.9 Prozent kommen und weit hinter Sheffield United mit ihren lächerlichen 16.7 Prozent. Wir berechnen das also.

Die UEFA wird bald die nächste Stufe der Superliga zünden. Ist das DID POWER RANKING dann hinfällig?

Wieso? Hören die anderen Mannschaften dann auf zu existieren? Gibt es dann nur noch die Teilnehmer der Champions League? Wir können doch nicht die zunehmende Entfremdung beklagen und dann den wichtigsten Teil der Ligen vergessen: Das Mittelfeld, die Abstiegsränge, die uns immerhin noch das Gefühl vermitteln, dass es um etwas geht. Dass Fußball noch eine Bedeutung hat.

Sie haben am Dienstag doch auch gejubelt. Der BVB schmeißt Sevilla aus dem Wettbewerb. Wir sprachen drüber.

Nehmen Sie sich eine Birne.

Kommen wir zu einer weiteren Leserfrage:  Marcus aus Dortmund will wissen: Sind alle bekloppt geworden?

Diese Frage hat die Hamburger Rockformation Tocotronic bereits vor 25 Jahren auf dem Album „Wir kommen, um uns zu beschweren“ gestellt. Es ist diese Frage, mit der sich Menschen wie Marcus vom Rest abgrenzen wollen. Gerne werde ich mit ihm im Laufe des Jahres ein Tocotronic-Konzert in Hamburg besuchen. Dort beantworte ich ihm diese Frage dann persönlich. Bei einem guten Schulle.

Herr Dembowski, wir haben Pandemie!

Das ist doch der Mist!

Das stimmt, Herr Dembowski. Aber das ist Fakt.

Ja. Und bald werden alle geimpft sein.

Sie reden das Staatsversagen schön.

Führt Lobo neuerdings die DID-Interviews?

Unverschämte Frage. Wollen Sie denn keine Fans im Stadion?

Davon rede ich doch die ganze Zeit. Natürlich möchte ich Fans im Stadion. Und wir werden sie sehen. Noch in dieser Saison. Haben Sie doch einfach einen Moment Geduld.

Die Impfkatastrophe macht uns zu Grollbürgern!

Herr Lobo.

Herr Dembowski!

Denken Sie denn überhaupt nicht mehr an den Klimawandel?

Das zahlt nicht auf die Stimmung ein. Wie sollen die Fans ins Stadion zurückkommen?

Impfpass, Schnelltests und digital.

Wir sind hier in Deutschland, Herr Dembowski.

Deswegen mache ich mir keine Sorgen.

Von Ihnen lasse ich mir meine Sorgen nicht nehmen. Wir sind hier nicht in Tel Aviv, Dietfried. Einen schönen Tag noch.

Hau rein, Sascha!