Die Bundesliga ist zurück. Die Augen der Welt sind an diesem Wochenende auf die 17 leeren Stadien der Liga gerichtet. Was wird passieren und wer wird die Regeln brechen? Wir treffen Dietfried Dembowski am Vorabend der Rückkehr im Frühlingssonnenschein. Er steht am See auf seiner Kranichfarm, redet ein paar Worte mit seinem Karpfen Koi. Von der Veranda vernehmen seichte Musik.

“It’s by far the hardest thing I’ve ever done, to be so in love with you and so alone”, singt John Denver und der Ermittler nickt uns freundlich zu. “Das ist meine Hymne für die Geisterspiele”, sagt er und gibt damit bereits die erste Antwort. Er wird sich die Spiele anschauen. Wir wollen mit ihm plaudern.

Hallo, Herr Dembowski!

Hallo!

An diesem Wochenende kehrt der Fußball zurück. Warum freuen Sie sich auf die Bundesliga?

Eine Frage ohne jeden Hintergedanken, was?

Wieso sollten wir Sie in eine Falle laufen lassen! Legen Sie los.

Es ist das irrwitzigste Projekt in dieser Zeit des kompletten Irrsinns. Der Versuch, inmitten der Pandemie eine neue Normalität zu installieren. Das finde ich faszinierend. Die Welt schaut auf diese wahrscheinlich zum Scheitern verurteilte Idee. Manchmal kopfschüttelnd, manchmal voller Bewunderung. Es ist auf so vielen Ebenen spannend. Natürlich freue ich mich also auf die Liga. Sie bedient doch sogar hier in Deutschland spielerisch alle Interessen.

Der Deutschlandtrend zeigt, dass 56 Prozent der Bevölkerung gegen dieses Projekt sind und nur 31 Prozent dafür.

Was doch auch bedeutet: 87 Prozent haben dazu eine Meinung. Diese Meinung lässt sich nicht mit „ja oder nein“ abfragen. Für mich zeigt der Deutschlandtrend vielmehr die Sehnsucht nach Ablenkung in dieser seltsamen Zeit des Stillstands mit all seinen Verwirbelungen unterhalb der Oberfläche. Wir befinden uns in einer Situation, in der sich niemand der Lebenden jemals befunden hat.

Und deswegen soll der Ball wieder rollen. Sie reden an der Sache vorbei.

Wie Sie vielleicht wissen, habe ich den Profi-Fußball nie als Sportspiel begriffen, sondern als eine gigantische Unterhaltungsmaschine. Jetzt hat Deutschland in der Pandemie noch relatives Glück gehabt. Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus haben gegriffen und wir sind hier noch glimpflich davongekommen. Bislang.

Der Fußball riskiert doch genau das!

Hören Sie doch auf. Die Stadien werden sichere Orte sein. Und jetzt lassen Sie mich zum Punkt kommen. Es ist eine gigantische Unterhaltungsmaschine. Weltweit. Und allein hier bedient sie doch aktuell alle Menschen. Wir vernehmen da wahrscheinlich ungewollte, nationalistische Untertöne wie bei Rummenigges „made in Germany“-Aussage, wir amüsieren uns über Rangnicks Größenwahn und Watzkes Lobbyismus. Dazu bediente allein die Diskussion über die mögliche Rückkehr die Angstlust der Dauerempörten und förderte den peniblen Eifer derer, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Schwachstellen in einem eilig zusammengeschusterten, unter dem Druck des wirtschaftliches Zusammenbruch erstellten Plans inmitten der unsichtbaren Bedrohung zu finden. Das ist doch wunderbar. Der Fußball bewegt mehr als das Schicksal der Ernte- oder Schlachtsklaven, deren anonyme Schicksale Randnotizen bleiben.

Sie mit Ihrem Pathos, Herr Dembowski. Die Vereine brechen das Hygiene-Konzept.

Der wichtigste Punkt in diesem DFL-Plan ist doch, dass es überhaupt keine Sicherheit geben kann. Auch der beste Plan schützt nicht vor menschlichen Verfehlungen. Dass es keine Sanktionsmöglichkeiten gibt, ist verwunderlich, aber mit Sicherheit auch nicht das Ende der Welt. Wir sollten da nicht zu sehr mit der Lupe drauf schauen. Das können Ermittler machen, aber das können wir der Allgemeinheit nicht auflasten.

Die Stadien werden ohne Zuschauer bespielt. Ist das denn dann überhaupt noch Fußball, Herr Dembowski?

Es ist die von mir bereits mehrfach erwähnte neue Normalität inmitten einer Pandemie. Natürlich ist das nicht normal. Jeder bevorzugt ein volles Stadion. Das steht doch außer Frage. Das ist aber leider möglich. Wenn es da jetzt Bemühungen gibt, künstliche Stadionatmosphäre zu kreieren, so müssen wir darüber hinwegsehen. Das braucht natürlich kein Mensch.

Die aktiven Fußballfans haben sich gegen den Neustart positioniert.

Das ist doch klar. Wir sind doch bereits vor der Pandemie in eine große Krise gelaufen. In der die, die das System durch ihre Gelder, ihre Pay-TV-Abos und ihre Merchandise-Ausgaben durchgefüttert haben, zu Nebendarstellern degradiert werden sollten. Sie waren aber ein essenzieller Bestandteil des alten Systems, der alten Unterhaltungsmaschine Fußball. Die absurden Bemühungen, diese mit aller Macht ins offene Messer laufen zu lassen, sind jetzt nicht vergessen. Das beobachten wir doch überall. Alte Feindbilder bleiben bestehen und die aberwitzigen PR-Kampagnen der Hopp-Gruppe in den Anfangstagen der Krise sind auch nicht vergessen. Wir werden ohne Fans einen anderen Fußball sehen. Das ist klar. Und das schmeckt nicht allen.

Die Teams werden auch einen anderen Fußball spielen.

Gewiss. Sie haben kaum trainiert, sie haben keine Spielpraxis und sie werden hier eben auch in eine Situation geschmissen, die nicht jedem Spieler behagen wird. Quarantäne, engmaschige Tests, Geisterspiele, absurde Anweisungen für die gefühlte Sicherheit auf dem Platz. Das ist nicht leicht. Die Fortführung der Liga hat keinen sportlichen Wert, ein echter Wettkampf ist nicht mehr gewährleistet. Auch das ist Teil der neuen Normalität.

Hat es denn keine andere Möglichkeit gegeben?

Wie meinen Sie das?

Hätte man nicht die Liga abbrechen können?

Und dann?

Gute Frage.

Das stimmt.

Vielleicht beenden wir es an dieser Stelle.

Das ist gut. Es wird die größte Show auf dieser Welt. Bis sie endet. Genießen Sie es.