Die Treppe hinunter, mit dem Iris-Scanner durch die erste Tür und hinein in die Schleuse. Neonfarben leuchten den kahlen Gang aus. Er ist vielleicht 80cm breit, aber 20 Meter lang. An der Wand hängt eine altes Plakat. Ein erstes Zeichen: Hier, tief unter der Mittellandkanalmetropole, gibt es Leben. Noch eine Stahltür. Noch eine Schleuse. Noch einmal der Iris-Scanner. Die Temperatur wird gemessen. Noch eine Stahltür. Und wir sind mitten drin in Dembowskis neuer Heimat – einem 1:1 Nachbau des Soldiner Ecks.

Der Ermittler deutet auf den Platz am Tresen. Aus den Boxen hämmert Die Regierung. Na klar! Ganz tief unten! Dembowski sitzt am anderen Ende des Raums. Ein Schulle vor sich. „Hier muss ich auf nichts verzichten“, sagt er. „Ich habe Schulle gehamstert!“ Bereits vor einigen Wochen hat sich der mehrfache Ermittler des Jahres aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. „Hier bin ich Eremit, hier kann ich sein“, sagt er. Sein langer Bart steht Dembowski ausgezeichnet, nur seine Haare könnte er sich mal wieder kämmen. „Wozu?“, fragt Dembowski und nimmt noch einen großen Schluck Schulle.

Doch wir sind nicht hier, um über Dembowskis Frisur zu reden, sondern endlich wieder seine Stimme zu vernehmen. „Dembowski ist immer noch wichtig“, sagt Dembowski.

Das wollen wir herausfinden.

Herr Dembowski! Wieso haben Sie sich aus dem öffentlichen Leben verabschiedet. Das hier ist ein Bunker!

Das stimmt. Ein wunderbarer alter Bunker, gibt es hier in der Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben zuhauf. Den hier habe ich mir in den letzten Monaten umgebaut. Was da draußen passiert, ich habe das kommen sehen!

Wie?

Dembowski zeigt auf einen Stapel Papier auf dem Billardtisch. Ich habe gelesen! Ich habe 1+1 zusammengezählt.  

Kommen Sie mir nicht mit Ihren Verschwörungstheorien, Herr Dembowski! Reden wir lieber über Fußball.

Sehr gerne. Werden wir ja auch nicht mehr lange machen können.

Wieso?

Weil alle Ligen ausgesetzt werden. Wir steuern alle auf das italienische Model zu. Wie unfassbar fahrlässig der Fußball handelt. Da wird entgegen aller Vernunft das Spiel Borussia Mönchengladbach gegen Borussia Dortmund ausgetragen. Nur den Heinsbergern wird empfohlen, nicht anzureisen. Es geht hier nur noch um Kohle. Der BVB hat das exemplarisch vorgerechnet. An einem Heimspieltag nimmt der BVB ca 2,5 bis 3 Millionen Euro ein. Das wird dem Verein nun entgehen.

Die Menschen könnten einfach aufs Jubeln verzichten und vernünftig agieren.

Ja, ja. Die Menschen.

Die Menschen arbeiten trotzdem noch. Sie fahren mit der Bahn, mit dem Bus zur Arbeit.

Fußball ist keine Arbeit. Wir können darauf verzichten. Alle mal runterfahren. Es ist nur ein Zweig der Unterhaltungsindustrie. Aber einer der in Echtzeit gescriptet wird. Mit all den Geschichten. Jeder wird bedient: Der Taktiknerd, der Soziologe, der Professur, der Proll und das alles noch richtig durchgendert. Es ist super. Es ist aber nicht notwendig. Stoppt die Spiele jetzt!

Ist Coronavirus wirklich ein Hurensohn, Herr Dembowski? Die Seite 1 der heutigen taz vermutet das.

Toll! Gute Überleitung auch. Wat ne Aufregung in den letzten Wochen. Wie der Verband da agiert hat, war einfach nur fantastisch. Die haben sich komplett zerlegt und es dann auch noch geschafft, dass Kollege Schickhardt auf einmal im Rampenlicht steht. Das war wunderbar. Am Ende schrieben sogar die Hardliner gegen den Verband an. Fußball ohne Fans ist nichts. Und diese für Plakate zu kriminalisieren, ist halt einfach nur dumm.

Man muss da in die Kurven. Die Leute rausholen, die sowas singen. Da kommt einiges zusammen.

Beleidigung, Anstiften zur Beleidigung. Hören Sie auf, ich kann nicht mehr. Zitieren Sie nie wieder aus Schickhardt meets Schäfer. Das ist zu viel für mich. Deutscher Comedy Award!

Herr Dembowski! Den bekommt Dittmann!

In Audio!

In Audio. Wie geht es jetzt weiter, wenn es irgendwann weitergeht?

Eins haben die Kollegen Funktionäre, die von den Fans als häßliche Fratzen bezeichneten Herren in den Führungsetagen verstehen müssen. Die Macht der Fans ist groß, sehr groß. Sie sind das Alleinstellungsmerkmal des deutschen Fußballs. Die kannst Du nicht so einfach anpissen. Da springt sogar die DFL ein, um zu schlichten.

Was sagen Sie zum Fadenkreuz?

Das Symbol für die Proteste gegen alles, gegen Investoren, gegen Kollektivstrafen und gegen den Ausverkauf der Seele des Spiels wurde kassiert, wenn ich das richtig verstanden habe. Die Fans werden ein anderes Symbol finden. Machen Sie sich da mal keine Sorgen.

Wie steht es um die Borussia?

Schade, dass die Saison sehr wahrscheinlich nicht beendet werden wird. Ich habe mich mit der Truppe versöhnt. Die haben mir richtig Spaß gemacht. Die wilden ersten Auftritte des Heilands, Cans unbedingter Wille, Sanchos Auge, der zehnte Piszczek-Frühling. Und Favres Einsatz als Streitschlichter. Toll! 10/10. Gerne wieder.

Das wird dauern, wenn wir ihnen glauben dürfen. Was ist mit Ihrer Hertha?

Meine Hertha? Sie sind doch verrückt. Aber auch recht unterhaltsam. Tuchel soll jetzt kommen, hört man. Der wird denen schon die Big City austreiben und noch mehr Unfriede säen.

Haben Sie die Klinsmann-Tagebücher gelesen?

Die habe ich vergessen.

Herr Dembowski, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Kommen Sie gut an die Oberfläche.