Erneut steht die Zukunft des BVB auf dem Spiel. Der rapide Zerfall der Dortmunder Mannschaft ist auch auf die fehlenden Zuschauer im Westfalenstadion zurückzuführen.
Ein Kommentar von Dietfried Dembowski
Die letzte große Parade am Borsigplatz fand 2017 statt. Sie fiel in eine Zeit innerer Streitigkeiten. Aki Watzke schmiss den jubelnden Thomas Tuchel noch vom fahrenden Truck. An die damaligen Spieler kann sich in Dortmund niemand mehr erinnern. Sie sind längst vom Über die Jahre sind die Gesichter des Teams immer austauschbarer geworden. Das vergangenheitssüchtige Umfeld kann die Aufstellung des 1997er Finalspiels gegen Juve runterbeten. Den aktuellen Spielplan kennt es nicht. Den Kader der Saison 2015-2016 hat es vergessen. Zu viele Spieler kamen und gingen. Die Jahre des ewigen Umbruchs hat es nicht verkraftet! Trotzdem: In den vergangenen Jahren zehrten die Dortmunder von der Kraft der Südtribüne. Die waren immer da. Die waren das Korrektiv für die lethargische Mannschaft.
Der in München mit einem 3:2 errungene Einzug ins 2017er-Pokalfinale steht exemplarisch für das Dortmunder Scheitern in den Folgejahren. Damals schweißte die äußere Bedrohung nach dem Anschlag auf die Mannschaft ein paar Wochen vorher die Mannschaft und die Stadt für einen kurzen Moment zusammen. Nur in den Momenten der Einheit ist der BVB stark. „Borussia Dortmund kriegt niemand klein“, hieß es im Frühjahr 2017 rund um den Borsigplatz. Der mühsam errungene Endspielsieg gegen Eintracht Frankfurt war dafür Beweis und Gegenbeweis zugleich. Die äußere Bedrohung wurde mit einem letzten Kraftakt zurückgeschlagen, doch die internen Streitigkeiten, die Folgen des Anschlags kosteten den Verein mindestens eine Saison. In den Folgejahren brachte Favre gemeinsam mit dem Stadion die Stabilität zurück und etablierte ihn endgültig als zweite Kraft hinter Bayern. Doch die Stabilität wurde als Stillstand wahrgenommen und mit dem Einsetzen der Pandemie brachen die Zuschauer weg. Sechs der neun Ligaspiele ohne Zuschauer wurden seither verloren.
Zwei knappe Niederlagen die Bayern, und je eine krachende gegen Hoffenheim und Stuttgart sowie desolate Auftritte gegen Mainz und Köln. Was Favre den Spieler nicht geben konnte, hatten bis dahin die Fans übernommen. Sie waren jetzt nicht mehr da. Der Schweizer fand keine Lösungen und wie sollte er auch? Diese Mannschaft braucht den Lärm, braucht das, was Michael Zorc auf der ersten Pressekonferenz des neuen Trainers Edin Terzic als „Emotionalität“ beschrieb. Viel wichtiger als die Emotionalität ist das Wirken des Vereins in die Stadt. Der von Skandalen gebeutelte Fußball bedeutet in Dortmund immer noch alles. Doch die Perspektive fehlt. In der Liga langt es in einer guten Saison zu Platz 2, in einer schlechten zu Platz 4. Der Weg im Pokal endet im Frühjahr. Der in der Champions League auch. Dann fallen die Fjörtofts, die Falks und Romanos wieder über den Verein her. Sie transferieren die Spieler und begründen damit den Dortmunder Mythos vom Ausbildungsverein für die europäischen Topklubs. Der sie auch sein wollen und müssen. Um irgendwann einmal einen Sprung zu schaffen. Nur wohin sollen sie springen? Und wo würden sie landen? In einer europäischen Super League?
Das alles ist nicht wichtig, solange nur der richtige Trainer an der Seitenlinie steht. Der 38-jährige Terzic wird sich beweisen müssen. Seine ersten Sätze als Cheftrainer deuten in die richtige Richtung. Da beschuldigte er, mehr Fan als Trainer, den kommenden Champions League-Gegner Sevilla. Das Zeitspiel habe er ihn nie vergessen. Das ist 10 Jahre her. 10 Jahre, die den Verein verändert haben. Zum ersten Mal erinnert sich ein Dortmunder Trainer an das, was war. Jede Zufluchtsstätte der Vergangenheit ist ein Gefängnis. Die Zukunft des BVB steht auf dem Spiel. Dazu müssen sie aus dem Gefängnis der Erinnerung ausbrechen.Edin Terzic, und nicht Marco Rose, hält die Schlüssel dazu in der Hand. Er muss sie nur richtig einsetzen.