Was waren das für Glücksmomente. Andre Schürrle stürmt die linke Seite entlang, sieht Mario Götze, der sich in den freien Raum schiebt. Der den Ball, der in diesem Moment auf ihn zufliegt, sieht, der sich instinktiv entscheidet, der den Ball von der Brust abtropfen lässt, der sich dreht, der den Ball mit links in die lange Ecke schiebt, der den größten Titel im Weltfußball sichert. „Mario Götze. Das ist doch Wahnsinn. Und da ist gekommen dieser eine Moment für Mario Götze, da ist alles andere egal. Irre. Das nächste Jokertor für Deutschland. Helmut Rahn, Gerd Müller, Andy Brehme, Mario Götze. Ist das die Viererreihe? Diese Technik, die er gelernt hat bei Borussia Dortmund, bei Volker Pröpper in der Jugend.“, das sind die unvergessene Worte, die eine unvergessen Nacht einleiten.

 

Joachim Löw, der sich die Haare richtet. Müller-Wohlfahrt, der die Hände jubelnd in die Luft hält, Angela Merkel, der für einen Moment die Gesichtszüge entgleiten. Gauck, der aufsteht. Deutschland, das feiert. Deutschland, das im Freudentaumel erstmals seine hässliche Fratze zeigt. Deutschland, das on top of the world ist. Deutschland, das Land, das über allen anderen steht. Hier beginnt das: Das Tor von Mario Götze.

 

Aber Götze spielt nicht mehr bei Borussia. Dort ist er nicht mehr willkommen. Er wird ausgepfiffen, beschimpft. Für das, was er tat und für das, was er zerstörte. Götze ist müde. Tired of all the hatin. Tired of all the injuries. Er verletzt sich. Er bleibt eine Verheißung. Er bleibt der Spieler, der das wichtigste Tor der letzten 26 Jahre schoss und der daran zerbrach. Sein Trainer, Pep Guardiola, ignoriert ihn, hält ihn klein, gewährt ihm immer wieder Spielpraxis, aber erst nachdem er ihn gebrochen hat. Sein Förderer Matthias Sammer spielt da schon keine Rolle mehr. Er hatte ihn zu den Bayern gelockt. Um Dortmund zu schwächen, um Dortmund zu zerstören, um den Fans ihren Traum zu nehmen.

 

Aber Sammer ist nicht mehr. Und Guardiola auch nicht. Auszeit und Manchester. Nur die Muskeln, die Kilos, die fehlende Leichtigkeit. Die sind alle noch da. Ungebetene Gäste. Unangenehme Begleiter. Andere werden verstoßen. Die Berater, die Agenturen, die ihn zu einer Werbefläche gemacht haben. Die ihn zu einer Weltikone aufbauen wollten. Doch er blieb der kleine Junge, der von seinem Vater nach Hause geschickt wurde. Doch dort will niemand was von ihm wissen. Sie haben ihm nicht verziehen. Sie werden ihm nie verzeihen. Der Rest zeigt mit dem Finger auf ihn. Das mahnende Beispiel für den tiefen Fall in ein locker gespanntes Sicherheitsnetz. Es ist der Wucht des Aufpralls nicht gewachsen. Er sitzt auf der Tribüne. In der Nationalmannschaft auf dem Platz. Dort wird er geschnitten. Die Abstrafung dafür, dass er Müller, Özil, Kroos, Khedira ihren großen Moment raubte. Für Löw ist er ein Bauernopfer, für Tuchel war er der Schlüsseltransfer. Ohne ihn kein Schürrle. Ohne Schürrle die Unruhe.

 

Aber Mario Götze bleibt der, der keine Tattoos trägt. Der, der Wärme braucht und Kälte ausstrahlt. Der, dessen Karriere schon am Samstag in Leipzig auf der Kippe steht.