04. Januar 2019
Das Grau lähmt mich. Ich atme. Noch. Beobachte das Grau. Es hängt über mir. Über der Stadt. Über allen. Seehofer aufgewühlt. Kleber bestürzt. Was ist Terror? Wer darf töten? Was hätte Relotius gesehen? Windhauch verdrängt das Grau. Sonne drängt durch den Spalt. Sieht das Grau. Nicht mehr über der Stadt. In den Seelen. Lichterzucken. 1.000 Verletzte. Kollateralschäden. Deutschland feiert ausgelassen. Wieder ein Jahr geschafft. Bourani singt nicht mehr. Planet der Affen? Planet der Angst! Moment soll nicht bleiben. Sind alle gelähmt. Giering schon 8 Jahre tot. War jünger als ich jetzt bin. Höre De Nachten. Erst So Slow. Dann If Only. Das Telefon. Die Typen vom DID. Bin beruflich hier. Zusammenreißen. Die paar Minuten.
Herr Dembowski! Ein neues Jahr hat begonnen.
Die Herren von der Investigativabteilung sind wieder da. Ich will Ihnen mal was sagen. Ihre Aussage ist korrekt. Ist das Ihr Vorsatz? Sich auch mal an die Fakten halten? Dann kann ich nur gratulieren.
Ein neues Jahr hat begonnen, Herr Dembowski!
Und es hat sich nichts geändert. Wie auch? Eine Nachkommastelle springt weiter. Endlos. Im Takt der Jahre. Das ist doch jetzt schon wieder mühsam mit Ihnen. Worauf wollen Sie hinaus?
Wie haben Sie den Jahreswechsel verbracht? Das wäre die harmlose Frage gewesen.
Was soll ich denn darauf antworten? Was wollen Sie denn da hören? Dass ich mich betrunken haben, dass ich bei Schill gestürzt bin? Dass ich über dem Klo hing? Das passiert alles mal. Aber das hat doch die Leser nicht zu interessieren. Können wir diese harmlosen Nettigkeiten nicht einfach lassen? Ich interessiere mich doch auch nicht dafür, dass Menschen das machen, was Menschen eben so machen. Manchmal geht es ihnen gut, und manchmal geht es ihnen nicht so gut. Das war schon immer so.
Sie sind schräg drauf, Herr Dembowski! Es war der Versuch, ein Gespräch einzuleiten. Sie müssen liefern. Das steht in unseren Verträgen.
Wenn Sie sich hören könnten! Sie müssen liefern. Das sage ich doch. Ich muss liefern. Dafür bedarf es aber sicher nicht dieser harmlosen Nettigkeiten, die nun nichts anderes als hinterhältige Gemeinheiten sind. Bin ich nicht ehrlich, verrate ich mich. Bin ich ehrlich, stoße ich die Leser ab. Und an die sollten Sie doch in erster Linie denken. Sie müssen die Leser mit Ihren Fragen abholen. Das ist Ihre Aufgabe. Abholjournalismus ist Wohlfühljournalismus. Üben Sie das mal.
Abholen ist ein gutes Stichwort. Haben Sie die Festlichkeiten rund um die Bösebrücke abgeholt?
Rattern Sie jetzt einfach die Fragen runter? Noch einmal. Ich habe vom Jahreswechsel nichts mitbekommen. Vorher noch ein paar Lieder gedrückt. War glaube ich gerade Jacques Brel. Amsterdam. Dann totaler Blackout. Wache vor dem Pott auf. Vielleicht aber auch gut so. Selbstverletzung. Kein Krieg auf der Straße.
Gehören Böller verboten?
Selbstverständlich. Die Typen, die aus ein paar Pyros im Stadion ein Endzeitszenario schaffen, scheren sich einen Dreck um die konkrete und durch Zahlen belegte Gefahr des kompletten Kontrollverlusts zum Jahreswechsel. Die deutsche Böllerlobby vergleiche ich immer mit der NRA. Aber wir reden hier jetzt schon seit Stunden, nur nicht über Fußball. Wollen wir dann mal?
Gerne. In einem epischen Duell besiegt Manchester City Liverpool mit 2:1 Toren. Haben Sie das Spiel gesehen?
Bis zur 94. Minuten. Dann habe ich ausgeschaltet. Die Pep-Show ertrage ich nicht. War aber gut. Keine Frage. Besonders hat mir in diesem Spiel etwas gefallen, was überhaupt nicht da war: Der VAR. Es ist so schön, Fußball zu sehen, ohne sich noch Gedanken darüber machen zu müssen, was irgendwelche Herren in einem Keller denken könnten.
Diese Herren hätten Kompanys Fouls eventuell auf eine Rote Karte upgegradet. Das war eine Notbremse.
Dass es eine Notbremse war, sehe ich auch so. Aber was hätte es dem Spiel gebracht?
Mehr Gerechtigkeit!
Herrje. Hören Sie doch mal damit auf. Wollen wir das schon wieder diskutieren?
Lassen wir das. Die Winterpause der Bundesliga verbrachte ein Großteil der Profis in einem Restaurant in Dubai.
Ich nenne es auch „Das Restaurant am Ende der Welt“. Schreiben Sie das ruhig in An und Abführung. Das waren Bilder. Ribery lässt sich ein Goldsteak servieren. Lewandowski wird von hunderten von Menschen begafft, die alle diesen Moment für ihre eigene Ewigkeit konservieren. Was soll das? Was ist das? Habe ich mich gefragt. Die Videos von dem Typen werden millionenfach geschaut. Dazu diese Handbewegung. Was soll das verdammt noch einmal?
Welche Handbewegung, Herr Dembowski?
Jede unsere Handbewegung hat einen besonderen Sinn, weil wir eine Bewegung sind, sangen Tocotronic bevor sie in den Zauberwald zogen. Das waren ja konkrete Beobachtungen damals. Das ist auch eine Bewegung. Die all das vereint, was wir an unserer Zeit unbedingt verachten müssen.
Fußballer geben Geld aus, Herr Dembowski. Wieso sollte man das verachten?
Weil es so viel Platz einnimmt. Weil diese Typen sich überall ausbreiten und mit Ihrer Dekadenz die Gesellschaft verpesten. Influencer meets Influencer. Ich kotze.
Sie haben an Silvester gekotzt. Weil Sie kein Influencer sind?
Weil ich besoffen war. Das hatten wir aber schon. Diese Typen gehen nach Dubai, um zu relaxen und trainieren dann in Katar, um sich vorzubereiten. Da unten ist ein Brandherd dieser Erde. Erst heute durften Mitglieder der katarischen Delegation nicht in die Emirate einreisen. Niemand adressiert das. Sicher nicht die Typen, denen alles egal ist. Die Leben in einer kompletten Parallelwelt. Wie soll man die noch ernst nehmen?
FIFA-Präsident Infantino arbeitet bereits an einer Lösung. Er bringt der Region in 2022 nicht nur die Weltmeisterschaft, sondern auch den Frieden.
Genau. Dieser Größenwahn. Wie soll man das ertragen?
Sie arbeiten im Fußballnachrichtengeschäft. Sie sind einer der Putzerfische in diesem Geschäft. Fällt für Sie vielleicht zu wenig ab?
Was ist das für eine Frage? Reden wir über Fußball.
Christian Pulisic verlässt den BVB im Sommer. Ist Dortmunds Angriff auf Amerika somit gescheitert?
Mitnichten. Dieser Transfer ist auch aus Marketingsicht ein Geniestreich. Der BVB wird für immer der Verein bleiben, der Pulisic in die Umlaufbahn kapituliert hat. Jetzt kommt mit Giovanni Reyna der nächste junge Amerikaner. Wenn der BVB den auch noch entwickeln kann, werden sie in den USA komplett durch die Decke gehen. Haben Sie bemerkt, wie sich in den letzten Monaten etwas gewandelt hat?
Ja! Der BVB steht wieder an der Tabellenspitze.
Das mein ich nicht. Das sehen wir alle. Aber der BVB weint Spielern nicht mehr hinterher. Bis der Ballspielverein diesen Punkt erreicht hatte, verging viel Zeit. Aber es war wahrscheinlich die wichtigste Erkenntnis der letzten Jahre. Jetzt verliert Dortmund keine Spieler mehr, sondern gewinnt Ansehen. Neue Spieler kommen, werden entwickelt und gehen wieder. Und weil sie so gut entwickelt werden, kommen nur noch die besten Spieler, die dann in der Folge für noch mehr Geld wechseln werden. Bleiben Sie dabei sportlich stabil und interessieren sich also auch für den Kader und nicht nur die Talententwicklung, haben sie wahrscheinlich das beste Modell für Profivereine ohne Staatsfinanzierung entwickelt. Und sie haben Vorsprung.
Bayern zieht nach. Verpflichtet Davies aus der MLS, will Hudson-Odoi aus England an den Tegernsee locken.
Aber was sind das für Summen und was sind das für Erwartungen, mit denen diese Kids überfrachtet werden? Das ist doch verrückt. Hoeneß ist sich sicher: Davies wird einschlagen wie eine Bombe, gesehen hat er ihn aber noch nicht.
Auf Schalke geht es drunter und drüber.
Seppo Eichkorn is back. Der verdient mehr als El Tedesco. Irre. Dafür ist Naldo weg. Und Heidel tingelt durch Europa, um zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Auf Schalke will doch kaum einer spielen. Nicht in dieser Saison. Dort anheuern und im Mittelmaß versinken. Ich sag Ihnen was.
Nur zu.
Im Sommer ist Weston McKennie weg. Für ein Handgeld im Vergleich zu Pulisic. Wer nach internationaler Klasse strebt, wird in den nächsten Jahren einen großen Umweg um das Berger Feld machen. All diese lächerlichen Artikel im letzten Jahr. Wo eine Freak Season als Beweis für die bevorstehende Wachablösung im Rurhgebiet herangezogen wurde. Dabei hätte man nur auf die Zahlen schauen müssen. Hat aber niemand getan. Weil es nicht ins Narrativ passte.
Steigt Schalke ab?
Ihre Fragen werden nicht besser.
Dann beenden wir das an dieser Stelle. Zum Abschluss wollten wir Ihnen noch einige Leserfragen vorlesen. Es traf jedoch nur diese eine ein.
Es geht dahin, DID. Verschwinden heißt, nicht mehr da sein. Ich bin nur mehr kurz da.
Wieviel Zeit bleibt Ihnen noch, Herr Dembowski?
Nicht mehr viel. Das ist sicher. Alles hängt mit allem zusammen und das macht es so verdammt kompliziert, etwas zu lösen. Veränderst Du irgendwo etwas an den Einstellungen, geht es an anderer Stelle dahin. Diese Strukturen kannst Du nicht ohne Schmerz aufbrechen. Und in mir ist nur noch Schmerz.
Passen Sie auf sich auf, Herr Dembowski.
Danke.
Es war mir nicht gelungen. Nicht einmal diese paar Minuten.