Dembowski starrte in die Dunkelheit. Jemand hatte den Stecker gezogen. Ein halbes Jahr Winter lag nun vor ihm. Er fürchtete sich. Er hatte die Dunkelheit oft genug besiegt. Doch eines Tages würde sie ihn holen. Eines Tages, dachte Dembowski, werde ich das Licht nicht mehr sehen.

Wir könnten den Ermittler an dieser Stelle verlassen. Wir könnten ihn seinen dunklen Gedanken nachhängen lassen oder aber ihn zurück zum Licht führen. Wir wollen letzteres machen und fangen ihn unten auf der Soldiner ab. Nehmen ihn mit zu Schill, setzen ihn an die Theke, drücken ihm noch eine Schulle in die Hand, ein Lied in die Jukebox und warten.

 

Wir wollen mit Dembowski über den vergangenen Spieltag reden. Der so viele Bilder produzierte. Wir lassen ihn noch einmal „Unentschieden Gegen Ried“ hören. Wir holen ihn nach Hause. Dafür hat er den Fußball mal geliebt. Für diese Hoffnungslosigkeit. Darin hat er sich wiedergefunden.

Noch einen Schluck, Ermittler, dann werden wir sie ansprechen! Hier sind wir.

Hallo, Herr Dembowski!

Ach, Sie schon wieder.

Wir waren lange nicht mehr hier. Was macht das mit Ihnen?

Es macht mich durstig. Schill, schieb nochmal ein Schulle rüber.

Widerwillig greift Hauke in den Kühlschrank. Im Fernsehen tritt Malte Dürr bei „Gefragt – Gejagt“ auf. Ein paar Stunden vorher hatte er bereits Justin Hagenberg-Scholz bei „Bares für Rares“ gesehen. Der Datenexperte hatte eine Drohne dabei und kam nicht über den ersten Tisch hinaus. Und was machte Miriam Wu? Sie war mal wieder unterwegs. Die Internationalisierung der Liga ließ ihr keine Ruhe. Schill drückte noch einmal Unentschieden gegen Ried.

Kurt Jara, Kurt Jara. Schill, der war doch mal bei Euch, oder?

Schill nickte. Was waren das für Zeiten in der AOL-Arena. Jara, Beiersdorfer, endlich neue Schulden. Aber auch Platz 4 in der Liga. Fukal, Hertzsch, Barbarez, Meijer, der junge Takahara. Drei Tore, eine Vorlage in 16 Spielen der Rückrunde. Cottbus, 60, Kaiserslautern, Bochum, Bielefeld, Rostock, Stuttgart, Hannover, Nürnberg, der HSV. Mehr als die halbe Liga gab es nicht mehr. Sie waren alle mehr oder weniger in der Versenkung verschwunden. Cottbus hatte Dortmund damals beinahe mitgenommen. Aber der Ballspielverein war too big to fail. Schon 2003. Es waren Schills große Jahre. Heute waren wieder Austro-Pop-Days. „Ganz Berlin ist eine Wolke, und man sieht sich wieder mal auf der Flucht.“

Herr Dembowski. Können wir jetzt weitermachen? Berlin! Stichwort: Berlin. Am Wochenende war Berlin eine Wolke der Gewalt. Zieht diese Wolke weiter, gefährdet sie sogar die Austragung der Fußball-Bundesliga.

Das ist jetzt nicht ernsthaft Ihre erste Frage? Es sind Raketen geflogen, es war sehr unangenehm. Es war gefährlich. Das waren die Geister dieser Stadt. The Ghosts of Berlin. Eine Geburt ist immer schmerzhaft.

Wie meinen Sie das?

Lassen Sie es mich anders ausdrücken. Es war die Geburt eines Derbys in der ersten Liga. Eines mit den ganzen Begleiterscheinungen. Der medialen Hysterie. Everyone choose sides. Entweder lässt Du Dich vom süßen Duft des neuen Klubs verführen oder Du stehst halt auf prolligen Schulle-Fußball. Für mich ist das absurd: Der eine Verein nennt sich Arbeiterverein und ruft den Klassenkampf aus. Legt es auf eine Spaltung an und wird dafür gefeiert. Der andere Verein umarmt die Gelegenheit für die Stadt und wird dafür angefeindet.

Der andere Verein, wie Sie Hertha nennen, hat Krawallfans herangezüchtet, die hier Menschenleben aufs Spiel gesetzt haben.

Katastrophal. Die Saat ist aufgegangen. Da waren dann halt auch die Truppen dabei, die sich vom Klassenkampf-Geschwafel haben anziehen lassen. Beide Seiten haben sich da in den letzten Wochen nichts geschenkt. Und jetzt im Nachklang zeigt Union, die schon gegen Dortmund ihre Probleme hatten, bei deren Spielen gegen Leipzig der Gästeblock auch mal komisch riecht, mit dem Finger auf die anderen. Sie drehen sogar den Platzsturm in ihre Richtung.  Dass keine Ordner da waren? Kein Problem. Die Familie regelt das eben. Von homophoben Bannern ist da keine Rede. Von rund 30 vermummten Leuten, die ab weit vor dem Spiel drohend und sichtbar im Block standen, wird nichts erzählt. Alles eine Familie. Selbstreinigung. Wenn Sie mich fragen, funktioniert die dort eher nicht. Schauen Sie mal auf den Mob auf Twitter, wie der hier den Spiegel-Journalisten Meyn angreift. Lösch Dich, Geh Sterben. Der pure Kult!

Jetzt kommen Sie mal runter, Dembowski!

Okay. Reden wir über Kovac.

Fantastisch.

Einfach weg. Um 19:35 Uhr war er noch da, dann war er weg. Und niemand weiß, was passierte. Erst da, dann weg. Niko. So ehrlich. Ein bewundernswerter Trainer, der natürlich zum Ende hin genervt war. Legst Du Dich bei den Bayern mit Müller an, hast Du ein Problem. Legst Du Dich aber nicht mit Müller an, hast Du auch ein Problem. Dann spielt der nämlich. Ein neuer Trainer wird ja Müller nicht zurück auf sein 2014er-Niveau bringen. Das werden die Verantwortlichen dort vielleicht sogar wissen.

Wer wird denn neuer Trainer?

Arsene Wenger, später dann ten Hag.

Nicht Ralle Rangnick?

Nein. Den tut sich keiner an. Die haben sich langfristig auf ten Hag festgelegt.

Wer wird Trainer beim BVB?

Legen Sie mal eine andere Platte auf!

Das wird man ja wohl nochmal fragen dürfen, Herr Dembowski!

Favre hat jetzt erstmal die Kurve bekommen. Aber am Samstag droht eine weitere Vorführung in München. Und dann stehst Du dort, wo Du bereits vor der letzten Länderspielpause gestanden hast. Irgendwo im Niemandsland der Tabelle. Am Rande einer Krise. Aber noch nicht drin. Der Absetzungsprozess wird weiter verlängert und so wird sich der BVB in einem Jahr, in dem man Deutscher Meister werden muss, am Ende für die Champions League qualifizieren. Ein genügsamer Verein. Ich muss zugeben, ich habe mich von diesem Produkt erstmal entfremdet.

Herr Dembowski!

Isso. Ist ja auch dunkel draußen.

Jetzt machen Sie nicht den Großkreutz. Kurz noch: Leipzig gewinnt 8:0 gegen Mainz. Was macht das mit Mainz?

Mainz, las ich, muss jetzt den Spielern klarmachen, was es bedeutet für Mainz zu spielen. Das werden die wahrscheinlich gerne hören.

Schalke dreht das Spiel in Augsburg.

Und ich Idiot hatte mich bereits auf eine Niederlage vorbereitet.

Passiert, Herr Dembowski.

Ich muss jetzt aber wieder.

Vielen Dank!

Dafür nicht.