Hallo, Herr Dembowski!

Sie schon wieder. Ich wollte nicht mehr mit Ihnen reden.

Wir müssen aber. Dauert nicht lang. Nur ein paar Fragen.

Legen Sie los. Ich höre gute Musik, habe keine Zeit für schlechte Fragen.

Jammern Sie nicht.  Aubameyang vor dem Absprung. Was ist passiert, Herr Dembowski.

Kann ich ihnen nicht sagen. Aubameyang bekommt ein fettes Handgeld, wechselt also aus unerfindlichen Gründen nach London und hinterlässt wieder verbrannte Erde. Was für ein Scheiß man sich da in den letzten Wochen antun musste. Die Affenzirkus-Nummer als Krönung. Wir befinden uns tatsächlich in einem Bullshit-Zeitalter. Und jeder hat dazu eine Meinung. Ich nur noch selten.

Der BVB schon wieder in einer Dauerkrise. Was ist beim Ballspielverein los, Herr Dembowski?

Der Vereine befindet sich auf einem kostspieligen Selbstfindungstrip. Das ist da los. Das ist auch okay. Das kann alles passieren. Es muss nicht immer Perfektion sein. Das Leben ist kein Spielverlagerungs-Entwurf. Und auch ein lebender Verein kann sich seine Krisen nehmen. Wird eben alles befeuert. Schauen Sie aber gerne auch über die Grenzen. Aus dem Ausland prasselt weiter uneingeschränktes Lob auf den BVB ein. Tolle Transferpolitik. Solide gewirtschaftet. Ein fantastisches Fundament geschaffen. Ein Vorbild für alle, heißt es da.

Schaut man sich die Transferbilanz der letzten Jahre an, dann stimmt das auch. Wieso kritisieren sie das?

Weil die Dortmunder Transferpolitik sich die Feinde im eigenen Haus züchtet. Die Spieler kommen nach Dortmund, entwickeln sich, wollen weg, finden in einer stets aufgeregten Öffentlichkeit immer neue und kreative Wege, ihre Transfers durchzusetzen. Dann gehen sie mit viel Wirbel für viel Geld, andere Spieler kommen und deren Weg zeichnet sich bereits ab. Wir erleben einen unfassbaren Vertrauensverlust in den Verein und in die von ihm verpflichteten Spieler.

Niemand glaubt daran, dass man um Christian Pulisic oder Jadon Sancho ein neues Team bauen kann. Dortmund ist eine Durchgangsstation. Das führt zur Gleichgültigkeit unter den Fans, zu einer Phase des Stillstands im Verein, in einer Phase, die eigentlich zur Erneuerung genutzt werden müsste.

Wie meinen Sie das?

Der Ballspielverein kämpft so mit sich, ringt um den Weg zurück in die europäische Spitzenklasse, der sie ja noch im vergangenen April angehört haben. Der jetzt aber bereits versperrt scheint. Im Sommer war man mit den Nachwirkungen des Anschlags auf die Mannschaft beschäftigt, lag seit Monaten im Clinch mit Tuchel und verpasste es, Aubameyang zu verkaufen, oder zumindest neben ihm einen Nachfolger aufzubauen. Dazu der Fehlgriff mit Bosz, und jetzt Stöger. Nebenbei kommt immer mehr Geld in den Markt.

Niemand ist mehr da, der die Seele des Vereins streichelt. Kein Josef Schneck, kein Jürgen Klopp. Alles ist Vergangenheit, nichts ist mehr Zukunft. Der BVB lebt von seinem Briefkopf und fünf Jahre alten Four Four Two-Geschichten. Ich sehe schwarz.

Wieso?

Weil ja sogar kurzfristig nur Reus den Erfolg zurückbringen kann. Eine Spielidee, die auf wenige Abschlüsse setzt, muss zumindest einen Spieler haben, der aus wenigen Chancen ein paar Tore macht. Wird man jetzt auf 7 einlaufen, und sich umschauen. Schade. Aber nicht zu ändern. Und im Prinzip auch egal.

Wieso?

Weil niemand mehr ins Stadion kommt!

Das war schon 2008 so.

Und ist jetzt wieder so. Der Fußball ist vergiftet. Ich habe schon lange den Überblick verloren, an welchen Fronten welche Kämpfe gerade verloren werden. Die Bundesliga ist durch die Dominanz der Bayern langweilig geworden, Liga-Boss Seifert selbst empfahl kürzlich allen, alles auf Bayern zu setzen. Sie sind der Leuchtturm. Hinterm Deich stehen dann ein paar Ferienhäuser, in die sich andere Vereine immer mal wieder einmieten, und sich auf kurzen Spaziergängen dann einmal auf die Deichspitze stellen, die Aussicht genießen, und von der ersten Welle weggespült werden.

Dortmund hat beim Versuch, einen Leuchtturm zur errichten, die Identität aufgegeben und Schaden genommen. Andere Klubs unternehmen diesen erst gar nicht mehr. Der Sonderfall Leipzig verschwindet bald auch im Mittelmaß. Ralf Rangnick hat noch nie nachhaltig gewirtschaftet. Es gibt also keinen Wettbewerb, die Eintrittspreise steigen weiter, die Gängelung der Fans hält an, es gibt nur noch Drama, aber keinen VAR mehr. Der hat in der Winterpause unbemerkt seinen Dienst eingestellt. Die Spieltage werden weiter zerstückelt.

Der WM-Skandal wird nie aufgeklärt werden. Und natürlich geht es dann da auch die Internationalisierung. Kurzum: Die Liga hat schwere Fehler gemacht. Sie ist blind vor Gier nach noch mehr Geld von ihrem Weg abgewichen. Dieser Weg hieß: Wettbewerb, volle Stadien, günstige Eintrittspreise. Jetzt heißt es eben: Kein Wettbewerb, okay gefüllte Stadien, nicht mehr so günstige Eintrittspreise. Das könnte man alles akzeptieren, gäbe es den Wettbewerb noch. Den gibt es nicht mehr.

Dabei bemühen sich doch gerade die Bayern, die Ehre der Liga zu retten. In einem selbstlosen Akt verpflichten sie Leon Goretzka, der somit nicht in Liverpool, sondern weiter in der Bundesliga spielt.

Und Jupp Heynckes, der alles weiß, kommentiert eifrig. Und die Fans meckern, und abgehobene Journalisten kritisieren das, Karl-Heinz Rummenigge lässt sich als Retter der Liga feiern, und man kann nicht einmal mehr mit dem Kopf schütteln.

Die Fans haben Goretzkas Leben bedroht. Das beweisen Aufnahmen vom Trainingsgelände. Dabei stammt Goretzka aus Bochum und zieht jetzt weiter.

Wir alle stammen irgendwo her und ziehen weiter. So ist das menschliche Leben ausgelegt. Manchmal enttäuschen wir mit unseren Entscheidungen andere Menschen, dann müssen wir mit den Konsequenzen leben. Waren ja auch Kinder vor Ort. Alle haben an die Kinder gedacht! Alles gut. Ihm ist nichts passiert. I repeat: Ihm ist nichts passiert! Und er wird es überleben.

Blicken wir noch kurz nach Hamburg.

Nein. Die Situation ist zu dringend, um schlechte Witze zu machen. Hamburg ist schon lange ein Mahnmal. Wenn Sie jetzt absteigen, werden sie sich nicht mehr erholen. Kann das jemand ernsthaft wollen? Bremen würde sich auch nicht erholen. Köln schon. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Das ist alles sehr traurig.

Dann beenden wir das an dieser Stelle.

Das ist gut so. Beste Grüße aus der Lausitz.