Herr Dembowski, wir müssen reden!
Das habe ich befürchtet. Es geht nicht um Schills neuen Laden nehme ich an?
Nein. Obwohl dieser samt Musikauswahl natürlich ganz ausgezeichnet ist.
Das stimmt. Abends, wenn an diesen trostlosen Frühlingstagen wieder niemand bei ihm sitzt, legt er Phil Collins auf. Another Day in Paradise. Dazu der Blick aufs Bode Museum, ein kühles Schulle. Mehr brauche ich nicht.
Was treiben Sie sonst so?
Das können Sie sich doch denken. Es geht um Borussia, es geht immer um Borussia. So viel Drama.
Da geht es ordentlich ab.
Schlimmer als beim HSV. Schill hat mich in der Tasche. Das muss man sich mal vorstellen. Der BVB dominiert als Tabellendritter und Pokalfinalist die Schlagzeilen, die Kühne-Boys sind nur noch ein regionales Phänomen. Habe da neulich länger mit Wu [Internationalisierungs-Fachfrau Miriam Wu, Lebensgefährtin von Hauke Schill] drüber gesprochen. War wieder einer dieser kalten Abende am Spreeufer. Wir saßen also da, haben auf die leeren Ausflugsdampfer geschaut, das Licht verschwand und damit auch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Aber waren Sie es nicht, der nach den letzten uns bekannten Ermittlungen im, ich schau gerade nach, im Januar, wieso ist das eigentlich so lange her?, davon sprachen, dass immer alles gut wird.
Das war offensichtlich ein Fehler. Und ich beziehe mich ja immer nur auf den Sport. Nicht einmal da wird alles gut. Die letzten drei Monaten waren eine wilde Schussfahrt in den Abgrund. Für den Ballspielverein, aber natürlich auch für den Rest. Die Bayern sind überaltert, haben dazu noch ein richtiges Führungsproblem auf allen Ebenen. Das fängt beim Trainer an, und endet beim Aufsichtsratsvorsitzenden. Die fünfte Meisterschaft bedeutet nichts. Die Spieler sind emotionslos. Sie wollen internationale Titel, doch dafür fehlt ihnen nicht nur die Klasse, sondern auch der nationale Wettbewerb. Das haben wir schon oft besprochen. Darauf muss man jetzt nicht mehr eingehen.
Sie sagen „auf allen Ebenen“ und sprechen den Aufsichtsratsvorsitzenden Ulrich Hoeneß an. Was hat der nun wieder falsch gemacht?
Er lebt schon länger in einer anderen Realität. Das ist nicht verwerflich, aber sicher nicht zu seinem Vorteil. Er steht für das System Fußball, in dem außer Geld und Macht kaum noch etwas eine Rolle spielt. Die Gier nach immer mehr Erfolg, nach immer mehr Anerkennung, und natürlich nach immer mehr persönlichen Vorteilen hat zu einer kompletten Verblendung geführt.
Und darüber reden Sie mit Miriam Wu? Befindet sie sich nicht genau in dieser Verwertungskette?
Ja, das ist korrekt.
Können Sie Wu denn überhaupt etwas glauben?
Ja. Ich bin ein großer Freund der Internationalisierung. Wieso sollten wir die Zukunft auch ignorieren? Auch das habe ich 1000x gesagt. Das Spiel wird globaler, vernetzter. Der lokale Fan bildet die Kulisse für ein globales Event. Vielleicht aber sollten wir einfach mal nicht geldgeil sein. Wenn über China berichtet wird, dann nur über das unglaubliche Potential in diesem so großen Land. Wenn wir von China hören, dann werden uns Zahlen um die Ohren gehauen. China, das gelobte Land. Das ist doch alles nur ausgedachter Quatsch. Dieser Hype wird enden. Die Liga dort ist ordentlich besucht, und natürlich hat der Staat daran Interesse, am globalen Wettbewerb teilzunehmen. Aber glauben Sie, dass die auf sagen wir mal Maximilian Arnold gewartet haben? Wu sagt immer: Den Chinesen ist Maximilan Arnold egal. Sie sucht andere Wege. Das interessiert mich. Deswegen rede ich mit Wu, und natürlich auch weil sie immer bei Schill rumhängt.
Was wird noch alles nicht gut?
Die FIFA, der DFB, die DFL. Es sind die alten Themen. In die UEFA setze ich noch eine wenig Hoffnung. Sie werden Mateschitz einen Denkzettel erteilen. Die Champions League ist das Aushängeschild Europas, da kann man die vom RB-Boss neulich geäußerten Gedanken kaum akzeptieren.
Haben Sie mit Miriam Wu auch über Borussia Dortmund geredet?
Endlich kommen Sie zum Punkt. Natürlich.
Was haben Sie da besprochen?
Es ging um die China-Reise, um die Strategie in Amerika. Solche Dinge. Wir reden über die Zukunft.
Eine mit Thomas Tuchel?
Eine selten dämliche Frage.
Wieso? Der Dortmunder Trainer steht kurz vor seiner Ablösung.
Das entnehmen Sie der Fachpresse. Das können Sie machen. Aber von mir werden Sie dazu nichts hören. Es ist offensichtlich, dass es sich hier um eine PR-Kampagne handelt. Wu nennt es nur noch die #DortmundLeaks, das trifft es ganz gut. Hier werden von einer Seite offensichtlich gezielt Informationen gestreut, und die andere Seite schaut dabei ohne große Hoffnung zu. Es ist vorbei. Es ist unwürdig, und alle müssen sich überbieten. Neulich, das wurde mir erzählt, musste Kapitän Marcel Schmelzer im Handstand einen Begrüßungstanz zeigen. Die Mannschaft soll das nicht gut gefunden haben. Daraufhin, so hört man, habe Tuchel sich mit Norbert Dickel überworfen und ihm gedroht, dass er Schmelzer nicht mehr „unseren Kapitän“ nennen solle oder sonst mit einem Angriff auf seine Currywurstbude in der Dortmunder Fußgängerzone zu rechnen habe. Das erzählt man sich in Dortmund hinter vorgehaltener Hand. Aber glauben Sie das? Es ist unwürdig.
Aber wieso passiert das?
Das kann ich nicht sagen. Der BVB wird einen neuen Coach haben. Den wir man irgendwie bei der Stange halten müssen. Ist doch gut. Passiert immer wieder. Ein Trainer kommt, ein anderer Trainer geht. Das sind keine Neuigkeiten, nur in Dortmund hat man das jahrelang nicht mehr auf dem Tisch gehabt. Alle sollten sich jedoch davon freimachen, dass der Verein dem Streitpartner immer moralisch überlegen ist. Das ist nicht der Fall. Und ich erinnere da gerne an den Abgang von Robert Lewandowski. Das hat sich tief in der kollektiven Erinnerung festgesetzt. Hier Barthel, das Eurosportsmanagement und dort der BVB. Wir kennen bislang immer noch nur Bruchstücke. Und haben doch alle eine Meinung. Es ist wie immer. Tuchel hat in Dortmund keine Zukunft. Es hat nicht gepasst, und dabei kann man es doch auch belassen. Müssen wir immer alles wissen? Und wem nützt das?
Müssten Sie das nicht aufdecken?
Es reicht mir.
Was?
Es reicht mir. Es ist nicht Ihre Aufgabe, mir Arbeitsaufträge zu erteilen. Ich bin raus. Korkut wird neuer BVB-Trainer. Und Hamburg steigt nicht ab. Merken Sie sich das. Hamburg steigt nicht ab.
Okay. Auf bald.
Denke ich nicht.