Herr Dembowski, Sie lachen schon wieder. Weil der BVB gewonnen hat?
Dann käme ich aus dem Lachen ja nicht mehr raus. Nein. Das fällt raus. Die Kraniche sind zurück im Campo. Sie kündigen den Aufbruch in einen neuen Frühling an. Es wird der Frühling der Erleichterung. Wir werden uns unserer Sorgen entledigen.
Die sind nicht sportlicher Natur nehme ich mit Blick auf die Tabelle an?
Das stimmt. Wir werden Tag für Tag von den Bildern der von ihrer Heimat losgelösten Menschen erdrückt. Wir sehen sie leiden, und wir sind hilflos und reagieren deswegen auf die Ausfälle der Rechtsausleger, weil wir ja nur da etwas tun können, denken wir. Aber was bringt uns unsere Aufregung? Nichts. Wir weisen in der digitalen Welt auf die Missstände hin, und ziehen uns immer weiter zurück. Jetzt sind endlich Torten geflogen, und eigentlich müsste man doch in den Untergrund gehen, und sich wehren. Vielleicht wird das passieren. Das verkünden die Kraniche. Sie sind ein Symbol der Zerstörung und des Wiederaufbaus, sie weisen mit ihrem Kruu und ihrem Kraa auf die immer gleichen Mechanismen hin. Jetzt ist Frühling. Ein neuer Abschnitt beginnt.
Für den BVB jedoch geht es einfach immer so weiter. Siege in Porto und gegen Hoffenheim.
Das wirkt auf den ersten Blick natürlich nicht überzeugend. Aber der BVB hat eine Kaltherzigkeit entwickelt, die den Verein noch weit tragen wird. Tuchel kann im Prinzip jeden Spieler aufstellen, auf jede Situation reagieren und er wird immer gewinnen. Aufgrund der individuellen Klasse eines Mkhitaryan und seiner sich dem Gegner anpassenden Taktik. Das ist schon gut. Trotzdem sorge ich mich um den BVB.
Wieso?
Was ist nur mit Roman Bürki los? Gegen Porto Weltklasse, gegen Hoffenheim unkonzentriert. Nicht nur beim Gegentreffer, sondern bei Standardsituationen, beim Herauslaufen. Immer.
Aber der BVB hat nur 3 Tore in 9 Spielen kassiert. Besser geht es kaum.
Da war viel Glück dabei. Die Schwächen der Borussia liegen weiter in der Defensive. Und letztendlich werden sie daran scheitern. An den Umschaltbewegungen, an der Unkonzentriertheit und an den zahlreichen individuellen Patzern.
Besser sieht es da natürlich bei Schalke 04 aus. Gegen Frankfurt blieben sie ohne Gegentor.
Ist das ein Witz? Da geht es bergab. Wie immer. Eine DID-Umfrage in der vergangenen Woche ergab, dass rund 50% aller DID-Leser Hassan Talib Haji für den Niedergang verantwortlich machen. Das ist natürlich Quatsch, es zeigt aber den Zustand der Königsblauen. Breitenreiter ist in Gefahr. Er hat seine Paderborn-Mentalität in den Klub eingebracht. Diese absurde Demut mag für den Fußballfan höchst amüsant sein, aber wer sich mit einem 0:0 in Frankfurt zufrieden gibt, der gibt sich auch mit Platz 9 in der Endplatzierung zufrieden. Welch seltsamer Verein.
Noch einmal Dortmund. Jetzt aber Hoffenheim. Wäre Julian Nagelsmann nicht ein geeigneter Kandidat für Gelsenkirchen? Seine Zettel sind jetzt bereits legendär.
Der 28-jähjrige Nagelsmann macht einen guten Job. Keine Frage. Die Sinsheimer sind in Dortmund nicht wie ein Abstiegskandidat aufgetreten. Was wir aber leicht vergessen: Sie sind auch unter Gisdol selten wie Abstiegskandidat aufgetreten. Nagelsmann hat vier Punkte aus 3 Spielen geholt. Eine durchschnittliche Bilanz, die keineswegs die Vergleiche mit Ferguson rechtfertigt. In Dortmund hätten sie mit 11 Mann natürlich gewonnen. Keine Ahnung, was Rudy da geritten hat. Gegen Augsburg muss er jetzt mit seiner 5-2-1-2 Taktik drei Punkte holen. Dann können wir reden. Klar ist, dass Schalke mal wieder einen neuen Trainer braucht.
Leverkusen auch? Roger Schmidt hat sich in den letzten Wochen nicht beliebt gemacht. Jetzt war das Aufhänger für einen kontroversen kicker-Text über die neue Fußballsprache.
Die Sprache als Schutz vor der eigenen spielerischen Armut. Immer lang, immer hoch, immer auf die zweiten Bälle. Selten hat mich eine vorgebliche Spitzenmannschaft mehr enttäuscht, mehr gelangweilt.
Und der kicker-Text? Durfte man Spielverlagerung so angreifen? Durfte man seine Meinung so äußern?
Natürlich.
Wieso?
Losgelöst von allen Emotionen ist das doch nur eine weitere Variation der Frage, wie wir den Fußball wahrnehmen. Wollen wir ihn kalkuliert, von allen Zufällen bereinigt, mit dem Videobeweis von allen Fehlentscheidungen befreit, und mit den tiefgehenden, teils komplett unverständlichen Analysen bis in den letzten Einwurf erklärt haben oder wollen wir weiter als Volkssport begreifen? Als einen Sport, der von der breiten Bevölkerung diskutiert werden, der weiter auch im Stadion verfolgt werden kann. Wollen wir also das Spiel als das begreifen, was auf dem Spielfeld passiert, oder wollen wir die soziokulturellen Aspekte in den Vordergrund stellen. Das geht ja durchaus beides, und kann auch friedlich nebeneinander existieren. Manch einer braucht die Sicherheit der Daten, ein anderer die Gewissheit, dass er noch ein bezahlbares Ticket bekommt und sich seiner Sorgen für einige Stunden entledigt. Dafür muss er nicht wissen, wie die erste Pressinglinie überspielt wird, und welcher Spieler in welcher Situation abkippt, und welche Seite überfrachtet wird. Wir sollten grundsätzlich gelassener sein. Jeder kann eine Meinung haben.
Themenwechsel: Wie läuft es für Klopp?
Er verliert in England ein weiteres Finale. Mit dem 5:2 gegen Bayern hat er 2012 sein ganzes Finalglück aufgebraucht. Im POWER RANKING geht es fünf Plätze runter, auch da ist eine Top 20-Platzierung utopisch. In Liverpool wird man jetzt Ruhe bewahren müssen. Ein Transferfenster. Ob das die Lösung sein wird? Vielleicht hätte sich Klopp eine längere Auszeit gönnen müssen. Es ist ja doch wieder nur das Endzeit-Dortmund, das er dort vorgefunden hat.
Auch das Endzeit-Dortmund hat die Bayern besiegt. Am Wochenende kommt es mal wieder zum direkten Duell der besten deutschen Mannschaften.
Danke, dass Sie nicht Klassiker gesagt haben. Auf das Spiel können wir im Laufe der Woche noch einmal eingehen. Viel interessanter: In den USA hat FOX es trotz groß angekündigter Offensive auf einen Spartenkanal geschoben. Niemand wird das sehen können. Dazu hört man von massiven Kürzungen im Fußball-Bereich. Ross Dunbar kann sich jetzt Ex-FOX-Korrespondent nennen. Die Liga findet in den USA effektiv nicht mehr statt, so der Anschein.
Ein Rückschlag für die Internationalisierung der Liga?
Gewiss! Der Vertrag hat ja gerade erst begonnen. Mal sehen, wie Seifert & Co reagieren, nachdem sie die Spiele Mitte März terminiert haben. Die Koordination dieser Termine muss ein Höllenjob sein.
Dann wissen wir endlich auch, wann Hertha die Schalker empfangen wird. Wie läuft es für den Hauptstadtklub?
Formidabel. Erster Sieg in der Rückrunde, die Rückkehr auf Platz 19 im DID POWER RANKING, 3 Punkte Vorsprung in der Liga. Trainer Pal Dardai wird immer witziger und sympathischer, was man vom Twitter-Account des Vereins leider nicht sagen kann. Er nervt nur noch. Nicht ganz so schlimm wie Augsburg, aber beinahe in einer Liga.
Bremen würde gerne auf Twitter nerven, aber momentan reicht es nur für die eigenen Fans. Die Jungs von der Weser sind in großer Gefahr.
Das war bei dieser wilden Einkaufspolitik zu erwarten. Deswegen verweise ich nur auf meine vor Wochen getätigte Aussage: Bremen steigt direkt ab. Das ist unendlich schade, aber so.
Dafür kommt RB Leipzig?
Ralf Rangnick übt ja schon fleißig. In der zweiten Liga greift er jeden an. Dazu wird er im kommenden Jahr Favre verpflichten, und Schürrle oder Götze von seinem Projekt überzeugen. Das erste Bundesliga-Jahr der Leipziger wird ein unvergessliches Erlebnis werden. Rainer Wendt hat bereits zahlreiche Pressemitteilungen auf Halde, Rudi Völler reibt sich die Hände. In Rangnick hat er endlich einen Konkurrenten.
Themenwechsel: Was macht die FIFA?
Gianni Infantino ist Präsident, und karrt an seinem ersten Tag im Amt erst einmal haufenweise Ex-Stars an. Die neue FIFA beginnt mit einem Turnier. Das gibt tolle Presse, und ein wenig Luft. In einem Interview mit dem Bayrischen Rundfunk freut er sich dann für Uli Hoeneß, der wieder frei ist.
Haben Sie dazu eine Meinung?
Nein. Er ist halt wieder frei. Hat seine Strafe abgesessen, und man sollte ihn jetzt einfach in Ruhe lassen, damit er uns hoffentlich bald wieder nerven kann. Das Leben im Fußball ist doch ohnehin nur der Realität entlehnt. Manchmal überschneidet es sich sogar. Hoeneß ist so ein Fall. Aber seine Vergangenheit wird in der Zukunft keine Rolle spielen.
Was ist mit dem DFB?
Der Freshfields-Report wird veröffentlicht, eigentlich sollte er verschoben werden, aber jetzt dann doch nicht. Ducken Sie sich besser jetzt. Das wird die Fußball-Welt für ein paar Sekunden erschüttern, dann geht es weiter. Das beschreiben ja auch die Kraniche. Der Kreislauf geht immer weiter. Maria Riesch steht hinter Franz.
Herr Dembowski, vielen Dank für das Gespräch.
Dafür nicht. Ich muss das ja tun. Gleich redet Pep. Man sollte ihm einfach mal eine Taktik-Frage stellen.