Herr Dembowski! Da sind sie ja endlich.
Genau. Der Sommer ist vorbei, der Herbst ist da. Meine Jahreszeit. Legen wir los. Was wollen Sie wissen?
Alles. Wir haben so lange nicht gesprochen.
Gut. Fangen wir an. Der BVB schießt 17 Tore in drei Spielen, insgesamt 22 Treffer in sechs Pflichtspielen. 14 Spieler haben schon getroffen. Komplett verrückt. Die stellen sich ne komplett neue Mansnchaft hin und machen einfach weiter. Guerreiro ist der bessere Gündogan, Dembélé eine Gefahr für Freund und Feind, Pulisic der absolute Superstar in den USA. Das kostet er auch aus. Und ziert sich bereits jetzt. Castro spielt kaum, ist trotzdem an jedem Treffer beteiligt. Bartra spielt Pässe, die Hummels nicht einmal auf der Playstation beherrscht und Bürki wird bald Welttorhüter. Und das geht ja immer weiter. Dieser Kader. Diese Tiefe. Ein Wunderwerk des Scoutings. Wie jedes Jahr verdreht der BVB der Welt den Kopf. Dieser Klub lebt, dieser Klub macht auf dem Platz alles richtig.
Und abseits?
Da sind sie die Maschine mit Herz. Das ist natürlich ein Widerspruch. Und derart gestaltet sich dann auch das aktuelle Geschäft. Tuchel serviert die alten Spieler ab. Das gab es immer und an allen Orten. Schauen Sie nur nach Manchester. Dort Schweinsteiger, da Yaya Toure. Aber der Ballspielverein, weil er so nahe ist, kann das nicht so einfach machen. Er hat ganz offensichtlich seine Probleme. Dann reden sich Watzke und Tuchel um Kopf und Kragen, überbieten sich in Erklärungen, warum Kuba abgegeben wurde, und warum er gehen wollte. Das wird alles nicht so klar. Im Winter kommt dann wieder ein Trainingslager und irgendwann vielleicht ein neuer Investor. Dann geht es in die USA, wenn Pulisic noch da ist, was bei ihm keineswegs als selbstverständlich angesehen werden kann.
Was für Probleme! OMG! Schalke verliert jedes Spiel. Das sind Probleme. Ist Weinzierl schon gescheitert?
Nach dieser Sommerpause musste jedem klar sein, dass Schalke Zeit brauchen wird. Um sich von Tönnies abzusetzen, um sich von Heldt abzusetzen, musste Heidel ständig auf das neue Schalke verweisen. Das ist anders, und diese Mauer wurde durchbrochen und jener Weg beschritten. Die Transfers wurde allesamt inszeniert. Die Fachpresse jubilierte, weil sie immer entzückt aufschreit, wenn ein Spieler, und es ist egal welcher, von A nach B wechselt. Da wird ein alternder Naldo schon einmal zu einem Transfercoup. Der bei Tottenham ausgemusterte Bentaleb ist der Heilsbringer im Mittelfeld, Konoplyanka ist jetzt bereits wieder vergessen, und Embolo hat man direkt bei der Spielervorstellung verbrannt. Das neue Schalke ist das alte Schalke. Aber das werden auch sie bald sehen.
Bayern München hingegen marschiert schon wieder Richtung Titel.
Haben Sie ernsthaft etwas Anderes erwartet? Kalle Rummenigge baut weiter an dem Fußball der Zukunft. Da hat die Bundesliga keinen Platz mehr. Gewonnen wird sie natürlich trotzdem. Und dann ab 2018/2019 fließt noch mehr Geld für noch weniger Vereine. Und Bayern gehört natürlich dazu. Sie sind ein Superverein und müssen auch so entlohnt werden. Für die Show, die immer lärmender und lähmender wird. Am Ende der Saison gibt es ein paar Spiele, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Die Zeit davor wird genutzt, um neue Rekorde aufzustellen oder Jahrestage dieser Rekorde zu feiern, um neue Pläne zu schmieden, wie man dem Zuschauer die paar wirklich interessanten Spiele am Ende der Saison noch besser verkaufen kann. Bayerns Glück entscheidet sich nicht auf Schalke und nicht gegen Berlin. Lassen Sie uns die Bayern doch bitte einfach bis zum April ignorieren. Die Liga, kurz vor ihrem Untergang, hat mehr Geschichten.
Die bald auch in China erzählt werden könnten. Das erklärt der scheidenden adidas-Chef Herbert Hainer im Gespräch mit dem Fachmagazin Sport Bild.
Fachmagazin? Klar. Egal. Das ist natürlich ein Testballon. Hainer sitzt noch bis 2018 im Aufsichtsrat der Bayern, und trifft dort bald wieder auf seinen alten Freund Uli Hoeneß. Das tut aber nichts zur Sache. Hainer schicke ich die Tage einmal ein paar Aufzeichnungen vom International Champions Cup und gerne auch vom französischen Supercup, der in diesem Sommer in Österreich ausgetragen wurde. Davon wusste jedoch niemand etwas. Die als „Internationales Fußball-Spektakel in Klagenfurt“ beworbene Veranstaltung wurde vor weniger als 10.000 Zuschauern ausgetragen. Ich bezweifle, dass dies Werbung für den Fußball ist. Auch im TV.
Hainer will das Eröffnungsspiel der Liga in China austragen. Das bestreitet traditionell der Meister. Hand aufs Herz, Herr Dembowski, wann wird das der Klub aus Leipzig sein?
Diese Frage stellen Sie jetzt nicht wirklich? Gut. Das wird noch lange dauern. Die ersten Schritte sind immer einfach. Gerade auch, wenn Du dann den BVB schlägst, und die Gegner sich in der Vorbereitung jedes Mal noch mit den eigenen Fans auseinandersetzen können. Die einen protestieren so, die anderen so. Das ist auch wichtig, spielt jedoch den Leipzigern in die Karten. Aber das wird sich legen. Sie werden mit dieser Mannschaft maximal um eine Platzierung in der oberen Hälfte mitspielen, und müssen danach wieder Geld reinfeuern. Der Weg bis nach ganz oben ist noch sehr lang. Aber natürlich: Mittelfristig kommen die in Europa an. Und im Zweifel steckt man sie dann direkt in die Super League. Damit wäre allen geholfen. Die Bundesliga hätte ihre Ruhe, der Osten würde blühen, der Sponsor könnte sich global vermarkten. Das macht er bislang ja auch schon. Durch gezielte Medienarbeit.
Erläutern Sie das mal?
In der englischsprachigen Presse sind in den letzten Wochen viele Lobeshymnen über das Leipziger Modell erschienen. Man wunderte sich über die Proteste, erkannte ihre Berechtigung zwar an, aber nur in einem niedlichen deutschen Rahmen. Das Alleinstellungsmerkmal 50+1 wird von außen weiter ausgehöhlt, nahezu verhöhnt. Teilweise von etablierten Schreibern, die sich mal hier und da verdingen. Die von Red Bull bezahlt werden und für den Guardian Lobeshymnen über Red Bull schreiben, die protestierende Fans verspotten, weil sie für eine Sache einstehen, weil sie nicht einverstanden sind, die also überhaupt nicht an einem Dialog interessiert sind. Ihr da unten, sagen sie, habt auf der Tribüne zu stehen, und nur dort wollen wir euch hören. Ihr Fans, ihr seid das hübsche Beiwerk. Mehr nicht. Versteht das, und haltet die Schnauze! Guter Fußball, erfolgreicher Fußball, der Fußball also der mit Verstand gespielt und abseits vorbereitet wird, rechtfertig also diese stillschweigende Vereinbarung zur Abschaffung der letzten Grundpfeiler des deutschen Fußballs. Der Wettbewerb findet nicht mehr diesseits der Landesgrenzen statt, sondern in einem globalen Verdrängungswettbewerb. Wer es nicht schafft, der fällt raus. Der hat schlecht gearbeitet, und es nicht verdient. Rummenigge nannte die Reform der Champions League eine Evolution. Struggle for existence, survival of the fittest. Mir ist, als gestehe ich einen Mord. Alles hängt mit allem zusammen. Das sage ich seit Jahren. Red Bull repräsentiert alles, was einem am Fußball momentan missfällt. Die klare, kalte, kalkulierte Ausrichtung auf Erfolg, dessen Glanz auf die Marke, den Inhaber ausstrahlen soll. Das Ausnutzen sämtlicher Lücken ohne jede Moral, ohne jeden Anstand. Alles im Rahmen. Alles innerhalb der Statuten. Aber alles ohne Rücksicht auf den Nebenmann. Das Aufgeben der Solidargemeinschaft.
Herr Dembowski. Vielen Dank für das Gespräch. Eine letzte Frage noch: Was machen Sie da?
Ich bastel ein Kastanienmännchen. Das mache ich jedes Jahr im Herbst. Am Montag schauen wir hoffentlich mal nach Europa. Stichwort: DID POWER RANKING! Ich gehe jetzt saufen.