Anruf bei Dietfried Dembowski. Er sitzt in seinem Wolfsburger Bunker, traut sich nicht raus. So ist das im Jahr 2020. Kein gutes Jahr. Die Pandemie zerstört Leben. Aber das ist nicht der Grund für das DID-Gespräch.  

Hallo, Herr Dembowski. Wie geht es Ihnen?

Nächste Frage.

Der BVB hat gegen einen Abstiegskandidaten verloren.

Sie haben es wieder getan. Zwei Standards kassiert, Bürki auf der Linie verwurzelt, nach vorne nicht effektiv gewesen. Es war ja wie in so vielen Spielen dieser Saison. Erst fehlt die Breite und die Tiefe und wenn sie dann da ist, wird es auch gefährlich. Aber wie bereits gegen die Bayern hat es nicht gereicht.

Fehlen dem BVB die Zuschauer?

Natürlich. Die regelmäßigen Heimniederlagen fallen nicht ohne Grund in diese Pandemie-Zeit. Sonst hast Du da 80.000 Zuschauer, die der Mannschaft immer wieder Energie geben. Die fallen weg. Die Stille des Westfalenstadions ist der 12. Mann für das Auswärtsteam. Das ist keine Entschuldigung. Das ist einfach ein Fakt. Der BVB hat sich immer noch nicht auf die Abwesenheit der Zuschauer eingestellt. Favre wollte es mit mehr Emotionen an der Seitenlinie korrigieren. Das gelingt ihm nicht immer.

Favre wechselt in jedem Spiel die Formation. Mal spielt er mit einer Viererkette, dann schiebt er zurück auf eine Dreierkette.

Und in jedem Spiel fehlt die Breite. Reyna sieht sich als zentralen Mann, Brandt kann es draußen nicht, Reus fehlt mittlerweile auch das Tempo. Dann bleiben Hazard und Sancho. Der eine ist noch nicht wieder richtig fit, der andere geht weiter durch eine schwierige Phase. Ihm fehlt Hakimi, mit dem biederen Meunier ist das Spiel dort ein anderes geworden. Ihm wird dann auch so viel aufgelastet, er zerbricht aktuell unter dem Druck. Sancho soll dem BVB mächtig Geld in die leeren Kassen spülen, vorher natürlich zaubern und wieder eine „17 Tore, 17 Vorlagen“-Saison abliefern. Daran scheitert er.

Favres Vertrag läuft am Ende der Saison aus. Ist dieser Trainer noch tragbar, Herr Dembowski?

Natürlich. Favre wurde jetzt über Wochen in den Himmel gelobt und nach einer Niederlage wird er in den Boden geschrieben. Dazwischen liegt die Wahrheit.

Kann der BVB mit Favre einen Titel gewinnen?

Natürlich. Bereits in dieser Saison, die noch so viele Wendungen bereithalten wird.

Muss der BVB sich intern neu aufstellen?

Die Pandemie wird Watzkes Abschied, vielleicht sogar Zorcs Abschied nach hinten schieben. Zeit genug, um auf zweiter Ebene neue Personen einzubauen. Das wird auch passieren. Personen, tief in der Vereinsgeschichte verwurzelt, die den Fußball 2025 denken. Die kommen hinzu. Schon ganz bald. Das wird für Wirbel sorgen. Nur: Was sorgt nicht für Wirbel? Es ist der richtige Weg. Ich freue mich drauf.

Ein alter Borusse, der auch Schalker war, hat sich am Wochenende beim Doppelpass als Rassist geoutet. Steffen Freund sagt, dass jeder, der ihn kennt, das natürlich anders sieht. Ist Steffen Freund ein Rassist?

Ich schaue den Doppelpass nicht. Das ist eine komplett toxische Umgebung, eine toxische Sendung. Ein ständiges Lauern in den sozialen Medien. Auf Fehler, auf Einladungen. Pit muss einen doch mal beachten! Ein seltsames Belohnungssystem. Ich schaue den Doppelpass nicht. Ihre Frage kann ich nicht beantworten. Wechseln wir doch das Thema.

Das Berlin-Derby steht an. Oder wie wir sagen: Der größenwahnsinnige Big City Club gegen den sympathischen Underdog aus dem Osten.

Sie sagen das: Für mich ist das Hertha Kneipe gegen Aroundtown. Wissen Sie, was ich an den Hertha-Fans schätze?

Dass die Schulle trinken?

Hören Sie doch auf. Teile von ihnen haben sich mit der Gegenwart abgefunden. Sie wollen gar nicht die sportlichen Dinge beeinflussen. Sie wollen, dass es den Menschen mit ihrem Verein gut geht. Sie besorgen den Ausgegrenzten dieser Gesellschaft Wasser, wenn sie es benötigen und Wärme, wenn es kalt wird. Sie blicken auf die, die ihnen Gemeinschaft ermöglichen und lassen diese nicht fallen und sie wollen die Rahmenbedingungen für eine sportlich bessere Zukunft schaffen. Es ist einfach, Hertha als Lächerlichkeit abzutun. Es ist aber erfüllender, die zu sehen, die den Verein leben. Das sind dann die, die aktuell nicht ins Stadion dürfen. Das hat auch die Vereinsführung begriffen. Das werden wir am Freitag sehen, wenn die Herthakneipe gegen Aroundtown aufläuft. Ach, die Aufregung. Es wird herrlich!

Sportlich ist Hertha wie die Pandemie im Lockdown light. Sie bewegt sich seitwärts.

Dann ist das so. Irgendwann ist sportlich alles analysiert, dann stehen immer noch 11 Spieler auf dem Platz. Absteigen werden sie nicht und es wird immer irgendwie weitergehen. Hertha wird nicht am Investor zerbrechen, sie werden sich aber auch nicht verbessern.

Union Berlin ist auf dem Weg in die Champions League.

Union Berlin ist mir egal. Ich habe die immer falsch verstanden. Jetzt will ich sie gar nicht mehr verstehen.

Für Schalke 04 wird es dunkel.

Noch ist Zeit. Aber natürlich. Das sieht sehr, sehr mies aus. Eine 1:4 Niederlage als Hoffnungsschimmer. Das schaffen nicht viele. Den Tasmania-Rekord holen sie sich trotzdem nicht.

Manuel Neuer wurde gefoult. Deswegen kann Bayern noch Meister werden.

Die Bayern hätten in Stuttgart auch nach einem 1:2 Rückstand gewonnen. Da verstehe ich die Aufregung nicht. Es sind Pandemie-Spiele. Umarmen Sie das Chaos und freuen sich über Konstanten. Nichts ist von Dauer. Nicht einmal diese Pandemie.

Ein hoffnungsvoller Abschluss, Herr Dembowski. Danke für das Gespräch.

Dafür nicht. Was ich noch sagen wollte: Für mich war Diego immer ein Singer-Songwriter. Er trug den Schmerz in sich. Bei ihm zeigte es sich im Spiel, bei den Musikern in ihren Songs.