Der junge Mann am Tisch vor der Tür des Soldiner Ecks fällt an diesem Spätsommerabend nicht weiter auf. Er trägt eine graue Jogginghose, ein Shirt mit Nike-Werbung, eine gespiegelte Sonnenbrille, eine Wollmütze.

Der Kerl ist einer von hier, denkt Hauke Schill. Es ist Anfang September. Immer noch Sommer. Im Fernsehen ringt Deutschland dem Weltmeister Frankreich einen Punkt ab.

Die Gang sitzt im Soldiner Eck. Klar, Schill bedient draußen. Doch bis auf ein paar Wasser karrt er nichts vor die Tür. Justin Hagenberg-Scholz, Miriam Wu und Dietfried Dembowski sind noch unsicher, was das Jahr bringen wird. Aber schon guter Dinge.

Die Modelle zeigen die drohende Krise der Bayern. Seit Fürth steht fest: Der BVB ist wieder da. Das wiederum beweist ihnen der Blick in die Vergangenheit.

Das DID-Team will vorbereitet sein. Daran arbeiteten sie.

„Jedes Jahr mit einem Titelkampf in der Liga ist ein gutes Jahr“, sagt Justin Hagenberg-Scholz. Seine Finger wandern über die Monitore. Er zeigt auf die verschiedenen Datenpunkte.

„Beim DID habe ich noch keins erlebt“, antwortet Dembowski.  „Das wird sich ändern.“

Sam Cooke schaltete sich aus der Jukebox hinzu. JHS singt. Es ist eine gute Zeit, am Leben zu sein, findet er. Daran kann nichts auf der Welt etwas ändern. Die Gang stimmt ein.

„It’s been a long time, a long time coming. But I know a change is gonna come, oh yes it will.”

Der junge Mann tritt durch die Tür. Er übernimmt den nächsten Part. „Then I go to my brother, and I say brother help me please.”

Dembowski antwortet: “But he winds up knockin’ me back down on my knees, oh.”

Dembowski mochte den Jungen. Er kannte die richtigen Zeilen. „Schau mal, Justin. Einer, der auf seinen Einsatz wartet“, sagt er in Richtung JHS. Doch den hält nichts mehr hinter seinen Monitoren.

„Das ist…. Das ist… Das ist…“

„Schieb Justin mal nen Kiba rüber, Hauke“, sagt Dembowksi. Der junge Man setzt sich. Hinten an die Theke. Schaut auf den Fernseher. Zeigt auf ihn. „Da sollte ich jetzt auch sein.“

„Du bist Mario Götze!“

„Richtig. Ich bin Mario Götze. Bekannt aus dem WM-Finale 2014.  Über mich gibt es sogar eine Doku. Being Mario Götze. Hat die zufällig jemand gesehen? Ich fand die ganz interessant. Ich habe auch eine Frau. Die Annkathrin. Ein Name. Kein Doppelname. Die macht auch was mit Medien. Auf Instagram hat…“

„Du bist wirklich Mario Götze!“

„Sag ich doch“, sagte Mario Götze und nahm seine Sonnenbrille ab. „Aki riet mir, mal hier vorbeizuschauen. Läuft nicht bei mir gerade. Wisst ihr vielleicht!“

„Du bist der, der Wärme braucht und Kälte ausstrahlt“, sagt Dembowski. „Hab ich mal geschrieben. Du bist der, der keine Tattoos trägt.“

„Ich bin der, der besser als Messi sein sollte. Ich bin der, der keine Spielzeit mehr bekommt.“

So war es. Bis auf Jürgen Klopp und Aki Watzke hatte ihn schon lange niemand mehr gelobt. Seine Einsatzzeiten waren überschaubar. Aber die Abgesänge auf seine Karriere füllten mittlerweile Schrankwände.

Aki hatte sich an den DID erinnert. Für ihn waren das Experten. Und so hat er Götze nach Berlin geschickt. Der Auftrag an Dembowski, Schill, Wu und Hagenberg-Scholz? Die Karriere retten. Das erzählt Mario jetzt. Hagenberg-Scholz sitzt ihm gegenüber, blickt manchmal von seinen Monitoren auf. Er analysiert die letzten Jahre. Er versucht den Moment zu finden, an dem alles zerbrach.

Aber JHS findet nichts. Nie ist etwas zerbrochen. Schon 2012 gewann der BVB die Meisterschaft ohne Götze. Das Jahr drauf war er weg. Sie werden ihm nicht helfen können. Dembowski nimmt einen großen Schluck Schulle.

„Mario, Du warst immer nur ein Versprechen. Du warst nicht mehr als ein Symbol für den Dortmunder Kontrollverlust Anfang des Jahrzehnts. Du warst einer von vielen. Und manchmal an der richtigen Stelle. Dafür ist das eine gute Karriere. Das mag jetzt langweilig klingen…“

Wu unterbricht Dembowski.

„Langweilig? Dembowski, Du bist ein Genie!“

„Wieso?“

Wu hat sich bis dahin zurückgehalten. Und überlegt. Sie hat JHS‘ Daten gesehen und sie hat Götze zugehört. Sie hat Dembowski zugehört und mit Schill getrunken.

Jetzt aber ist da dieser Plan. Es ist die letzte Chance.

„Langweilig. Das ist es! Die Perfektion des Trash Talks. Mario! Wir klären alles Weitere mit Aki. Danke, dass Du da warst.“

Aber Götze geht nicht. Er redet noch ein wenig. Ein paar andere Gäste tauchen auf. Er setzt sich zu ihnen. Wenige Minuten später ist er wieder alleine am Tisch.

„Irre. Das wird klappen“, sagt Wu.

„Was eigentlich?“

Wu sagt, dass Mario einfach vorne in den Sturm muss. Dembowski schickt Aki eine kurze Nachricht.

„Stellt MG vorne rein. Alles wird gut. Sagt Wu.“

Es dauert ein paar Wochen. Aber immer häufiger bekommt Götze seine Spielzeit. Nach einer Stunde meist verlässt er den Platz. Paco kommt, Paco trifft. Der BVB gewinnt.

Die Gazetten sind begeistert, erklären Götze zum wichtigen Bestandteil des Dortmunder Comebacks. Sie schreiben, er habe den Gegner müde gelaufen. Nicht weil sie es glauben, sondern weil ihnen die Erklärung fehlt.

Die hat Miriam Wu.

„Ihr müsst auf Götzes Gegner schauen. Knapp fünf Minuten vor Götzes Auswechslung reden die mit Favre. Achtet mal drauf. Die sind so unfassbar genervt von ihm. Der erzählt denen seine Lebensgeschichte. Die sind zu Tode gelangweilt. Betteln und flehen. Die können nicht mehr. Alles, nur nicht noch eine Geschichte von der Hochzeit. Alles, nur nicht noch einmal das WM-Tor relive. Die wollen nicht mehr. Soll Paco halt treffen!“

Die Gang lacht. Wieder einmal einen Fall gelöst.

„Ich freu mich aufs Derby“, sagt Dembowski. Er drückt Magnolia Electric Co. Wieder singen unsere Helden.

“It broke my heart to leave the city. I mean, it broke what wasn’t broke in there already!”

Der Ermittler ballt seine Faust. Er steht vor der Tür. Die Soldiner leuchtet. Hinter ihm sehen wir Hagenberg-Scholz, Wu und Schill. Ein kurzer Schnappschuss voller Glück.

“You could have had a little better luck. But with you I am not givin’ up. Tonight, I’m not givin’ up!”