Als das Spiel vorbei ist, endet die Euphorie. Mit Stielers Schlusspfiff kehrt die Angst zurück. Die Sorge um die mindestens 56.000 Arbeitsplätze wiegt schwer. Die Angst vor dem Verlust jedweder internationalen Bedeutung lähmt. Die Liga hat sich ins Schaufenster gestellt, aber bis auf einige lobende Worte über die wirklich großartige organisatorische Leistung wird nichts bleiben.

Made in Germany bleibt ohne Zuschauer ein seelenloses Gebilde. Daran ändert das Einspielen künstlicher Stadionatmosphäre in den World Feed der Bundesliga überhaupt nichts. Es macht es nur schlimmer. In England, in den USA wundert man sich nun über die armseligen Bemühungen der Dortmunder, die Yellow Wall zumindest soundmäßig zu reproduzieren. Guten Gewissens also darf man hier von einer Sabotage der Internationalisierungsbemühungen der Borussia reden. Dieser Soundbrei lässt die Leute verstört zurück.

Dabei hätte alles ganz anders kommen sollen. Als sich langsam die Abendsonne über die Farm im Oderbruch legt und JHS nach langen Telefonaten mit Lucien Favre endlich für den Startelfeinsatz des ewigen Lukasz Piszczek gesorgt hat, steht dem Spitzenspiel nur kurzzeitig ein leeres Schulle-Fass entgegen.

Doch Hauke Schill hat vorgesorgt und sich gegen den Sturzdurst Dembowskis mit weiteren Fässern direkt aus der Indira-Gandhi-Straße abgesichert. „Edel, einfach edel“, sagt der Ermittler und hebt das Glas auf die Bundesliga-Hymne. JHS, Schill, Wu und Dörte stehen bewegt daneben und trauern wie selbstverständlich auch um die Opfer der Pandemie. Eine Drohne zeichnet diesen bewegenden Moment der DID-Geschichte auf.

In pandemiekonformen Abständen sitzen die, die den Fußball lenken, beim Anstoß auf einer Wiese inmitten des Oderbruchs und blicken gebannt auf eine große Leinwand. In diesem Moment gehen unsere Freunde in der Masse der Welt auf. Überall schauen die Menschen auf das Begräbnis des deutschen Fußballs. Doch das spürt in diesem ergreifenden Augenblick niemand. JHS vergräbt sich hinter seinen Analysetools und wird in den kommenden 90 Minuten jeden Lauf, jeden Ballkontakt und jeden Positionswechsel mit einem erstaunten Raunen kommentieren. „Dieses Spiel“, sagt er bereits nach Haalands vergebener Großchance in der ersten Minute, „hat das Potential in die Geschichte einzugehen.“

Miriam Wu bekommt davon wenig mit. Auch sie schaut auf Analysetools, sie überwacht den Raum der sozialen Medien und hält Kontakt mit dem Westfalenstadion. „Ist das eigentlich ein Script?“, will Dembowski einmal zwischen zwei Bieren wissen, aber Wu schweigt. Sie lebt dieses Spiel und zeigt sich hin und wieder genervt von Justins Aussprüchen. Der Datenfuchs stellt bereits nach 30 Minuten fest: „Das ist der totale Fußball!“

Da hat der BVB längst das Heft des Handelns aus der Hand gegeben und verteidigt minutenlang in die Mitte. Folgerichtig erzielt Kimmich das 1:0 für die Gäste. „Perfekt!“, jubelt Wu und „perfekt“ findet das auch JHS. Für ihn ist es ein perfektes Tor und für Wu der perfekte Verlauf.

In der zweiten Halbzeit kann der BVB mit Jadon Sancho und Gio Reyna nachlegen. Der bis dahin als Dortmunder Davie Selke über das Feld stolpernde Norweger Haaland wird zuschlagen und das Spiel drehen. Es wird erst überraschend, dann vernichtend sein. Aber als Schiedsrichter Stieler in der 58. Minute einen Moment zögert und Wu gerade in dieser Sekunde mit dem Kölner Keller über mögliche Einflussmöglichkeiten konferiert, führt der BVB eine Ecke zu schnell aus und niemand sieht das Handspiel Boatengs. Sancho trägt einen Quarantänebauch vor sich her, Haaland bleibt Selke und verletzt sich und Reyna ist unsichtbar.

„Entzückend“, jubelt JHS. „So ein Spiel darf nicht durch einen Elfmeterpfiff gestört werden.“

„Dante, das Hummels-Tor, das Foul an Piszczek, immer wieder Ribery, Kimmich! Was soll das?“, ruft Dembowski in das Oderbruch hinein. Er erwartet keine Antwort. Heute hat es Wu verkackt.

JHS ist glücklich. Ein besseres Spiel hat er noch nie gesehen. “Diese Geisterspiele legen die Seele des Fußballs frei. Heute haben wir sie gesehen!”

Wu ist untröstlich. Es ist ihr Black Tuesday. Sie hat die Bundesliga internationalisieren wollen. Doch das Spiel ist aus. Eine Nachricht erreicht Wu: „Schön, mal wieder Fußball zu sehen. Aber das, was ihr da zeigt, hat damit wenig zu tun. Eine technokratische Wettbewerbssimulation in den verlassenen Pilgerstätten einer versunkenen Kultur.”

JHS will antworten. Wu entreißt ihm das Telefon. Dembowski verdrückt sich zu Koi. Schill zapft noch ein Schulle und Dörte legt die Beach Boys auf. Im Fernsehen verkündet Lucien Favre seinen baldigen Rücktritt.

Als das Spiel vorbei ist, endet die Euphorie. Auch hier im Oderbruch, das noch vor wenigen Minuten das Zentrum der Fußballwelt war. Jetzt ist es nur noch eine Kranichfarm.