Auf einer Mauer am Plaza Bolivar de mi Puerte Cabello, unweit der kleinen, sich in Richtung Calla Ricaurte öffnenden Holzhütte wedelt ein abgemagerter Straßenhund um Berenice Hagenberg-Scholz, als Justin Hagenberg-Scholz mit einer vollgepackten Burger King-Tüte aus dem Funktionsgebäude an der Ecke zur Paseo El Malecon stürmt, stürzt und sich wild fluchend und vor einem heraneilenden Pickup-Truck flüchtend noch gerade so über die Straße schleppt.
Justin trägt Nike-Solarsoft-Zehentrenner, weiße Carhartt-Chino-Shorts und ein rotes Robert-Koch-Institut-Shirt. Er war privat hier. Urlaub. Auszeit. Nicht mehr allein. Nach der harten Zeit im Späti an der Eberswalder, all den betrunkenen Kunden, den harten Tagen ohne Berenice nach RaRas Tod, und den noch härteren Tagen im Soldiner Eck, mit Dembowski und Schill, die ihn mehr brauchten als er sie jemals benötigt hatte.
Er war Justin Hagenberg-Scholz, Offizier der Reserve, Vermesser des Fußballs, Journalismus-Shootingstar, Allrounder und gewiss kein Prügelknabe. Er war gewissenhaft, manchmal unglücklich, nicht fotogen, aber er hatte sich eingefunden in seinem Leben, das ihm nun diesen großen Südamerika-Trip geschenkt hatte.
Puerto Cabello soll ihr letzter Stopp auf dem Festland sein, danach wollen sie rübermachen: Curacao! Davon hat er geträumt. Seit er sich mit Sid Meiers Pirates die Nächte um die Ohren geschlagen hat. Da war er 20, vielleicht 21. Jetzt war sein Sehnsuchtsort nur noch eine Tagesreise entfernt, jetzt würde er es Marcel, Richard und Martin zeigen. Bevor sie nach Südamerika aufbrachen, war er noch schnell der WhatsApp-Gruppe „30 Jahre Abi-Ball Nepomucenum“ beigetreten. Er wollte dort nicht hin. Er wollte die alte Clique nicht mehr sehen. Sie sollten nur an seinem neuen Leben teilhaben.
Berenice lacht. Sie will nicht mehr zurück. Berlin hat sie RaRas Tod nie verzeihen können. Manchmal wacht sie auf, und sieht seinen leblosen Körper vor sich. Sie zieht ihn an sich, streichelt ihn, und aus seinem Körper dringen die Gedärme. Aus der Ferne der drohenden Sound des auf dem Flüsterbeton davonrauschenden LKWs.
Hier in Südamerika hatte sie vergessen gelernt. Sie beobachtet den Hund, der von Mauer zu Mauer springt, seine Tricks vorführt, sich beliebt macht. Sie hat noch ein paar Stunden. Morgen um diese Zeit würden Sie auf Curacao sein. Justin kann es kaum erwarten, und Berenice auch nicht. Immer wenn er lacht, geht ihr das Herz auf. Auf die Überfahrt freut sie sich besonders. Sie wischt sich den Schweiß von der Stirn.
Berenice blickt in Richtung Burger King, sieht Justin und seinen Fall, hört den Pickup heranrauschen. Die Bilder von RaRa, das Blut. Und der Sprung in die Sicherheit, die Bremsen, die Frau, die jetzt aus dem Wagen steigt und auf Justins Shirt zeigt.
Ein Soundsystem verteilt Dame Pa‘ Matala über den Plaza Bolivar de mi Puerto Cabello. Es ist Dezember. Ihre Zukunft ist jetzt.
wildunfall auf der b115, cottbus richtung forst – teil I hier entlang
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